Religion wirkt wie Drogen

Religion ist „Opium des Volkes“, notierte einst Karl Marx. US-Neurowissenschaftler geben ihm nun recht: Spirituelle Erfahrungen wirken sich ihnen zufolge im Gehirn nämlich ähnlich aus wie Liebe, Drogen und Glücksspiel.

Das gilt zumindest für die 19 besonders frommen Mormonen, die ein Team um Jeffrey Anderson von der Universität Utah untersucht hat.

Aktives Belohnungszentrum

Die Forscher versetzten die Mormonen im Labor in einen Zustand, in dem sie die Anwesenheit des „Heiligen Geistes spürten“ – etwa durch das Vorlesen oder Ansehen wichtiger Zitate aus dem Buch Mormon. Während die Studienteilnehmer spirituell immer angeregter wurden, beobachteten die Forscher ihre Gehirnreaktion mittels Magnetresonanztomografie (fMRI).

„Wenn sie an den Erlöser dachten, an ihre Familien, mit denen sie in alle Ewigkeit verbunden sind, oder an ihre himmlischen Belohnungen, dann haben ihre Körper und Gehirne reagiert“, sagt Forschungsmitarbeiter Michael Ferguson in einer Aussendung. Besonders aktiv war der nucleus accumbens: jener Teil im Vorderhirn, in dem Glücksgefühle und Belohnungen verarbeitet werden.

So sieht ein religiöses Gehirn aus

Jeffrey Anderson

So sieht ein religiöses Gehirn aus

Inneres Glück, äußere Handlungen

Wenige Sekunden bevor die Probanden nach Eigenangaben die tiefsten spirituellen Empfindungen verspürten – manche von ihnen weinten in der fMRI-Röhre -, feuerten die Neuronen besonders wild. Zugleich beschleunigte sich ihre Atem- und Herzfrequenz.

Doch nicht nur die Belohnungsnetzwerke im Gehirn aktivierten sich. Auch Bereiche, die mit Urteilen, moralischem Abwägen und zielgerichteter Aufmerksamkeit zusammenhängen, waren bei den Mormonen stark aktiv. Dies lasse auf einen Mechanismus schließen, bei dem dogmatische Ideen innerliche Glücksgefühle auslösen und zu bestimmten Verhaltensweisen motivieren, so die Forscher.

Gelten würde das zumindest bei den Mormonen, unterstreichen sie. Gehirnstudien etwa zu Meditationstechniken östlicher Religionen haben andere Ergebnisse gebracht.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at

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