Was war der Stern von Bethlehem?

Das Matthäus-Evangelium hat erstmals von jenem Stern berichtet, der heute als Stern von Bethlehem bekannt ist. Aber hat es ihn wirklich gegeben? Oder sollte er bloß die Erzählung von Christi Geburt schmücken? Ein Überblick über die wichtigsten Antworten.

Um eines gleich vorwegzunehmen: Auch Astronomen können nicht mit Sicherheit sagen, ob es den Stern von Bethlehem bzw. ein entsprechendes Himmelsphänomen, das als „Stern“ gedeutet wurde, wirklich gegeben hat. Aber im Gegensatz zu vielen ihrer Kollegen in der Theologie diskutieren die Naturwissenschaftler nach wie vor ernsthaft darüber, welche Himmelserscheinung hier infrage kommen könnte.

Tatsächlich gibt es sogar konkurrierende wissenschaftliche Hypothesen zum Stern von Bethlehem. Wie die im Detail aussehen, erläutert der Wiener Astronom Thomas Posch.

Alte Chroniken - moderne Astronomie

Chroniken, die astronomische Beobachtungen enthalten, können Historikern dabei helfen, Ereignisse genauer zu datieren. Doch auch für Astronomen sind solche Aufzeichnungen durchaus heute noch interessant, wie Thomas Posch im Interview erläutert.

Kleine Korrektur der Zeitrechnung

Vorausgeschickt werden muss an dieser Stelle auch noch eine kleine Korrektur unserer christlichen Zeitrechnung. Denn als im 6. Jahrhundert der Mönch Dionysius Exiguus den Zeitpunkt oder vielmehr das Jahr von Christi Geburt berechnete, hat er sich um ein paar Jahre vertan.

Der historische Jesus Christus kam wahrscheinlich etwa 5 vor Christus auf die Welt – plus/minus das eine oder andere Jahr. Diese zeitliche Korrektur wiederum passt zur Datierung von verschiedenen astronomischen Phänomenen, die den „Stern“ erklären könnten.

Jemand hält eine BIbel in seinen Händen

APA - Hans Klaus Techt

Evangelium: Die Huldigung der Sterndeuter

Mt 2,1-12: „Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Bethlehem in Judäa geboren worden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen. Als König Herodes das hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem. Er ließ alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes zusammenkommen und erkundigte sich bei ihnen, wo der Messias geboren werden solle. Sie antworteten ihm: In Bethlehem in Judäa; denn so steht es bei dem Propheten:

Du, Bethlehem im Gebiet im Juda, / bist keineswegs die unbedeutendste / unter den führenden Städten von Juda;/ denn aus dir wird ein Fürst hervorgehen, / der Hirt meines Volkes Israel.

Danach rief Herodes die Sterndeuter heimlich zu sich und ließ sich von ihnen genau sagen, wann der Stern erschienen war. Dann schickte er sie nach Bethlehem und sagte: Geht und forscht sorgfältig nach, wo das Kind ist; und wenn ihr es gefunden habt, berichtet mir, damit auch ich hingehe und ihm huldige. Nach diesen Worten des Königs machten sie sich auf den Weg. Und der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen. Als sie den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt. Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm."

Komet im Jahre 5 vor Christus

Da wäre zum Beispiel ein „Schweifstern“ zu nennen. "Lange Zeit dachte man, der Stern von Bethlehem könnte ein Komet gewesen sein“, sagt Posch. Tatsächlich gebe es auch fernöstliche Chroniken, die von einem Kometen im Jahr 5 v. Chr. berichten, der „ungefähr 70 Tage lang ziemlich hell am Himmel stand“. Der Zeitpunkt könnte also passen. Doch Kometen galten weithin als Unglücksboten, erinnert der Astronom.

Unwahrscheinlich also, dass ein entsprechendes Himmelsphänomen als Ankündigung des Messias gesehen worden wäre. Eingang in die Kunst fand die Kometentheorie trotzdem – berühmt ist etwa das Giotto-Fresko aus dem 14. Jahrhundert.

ORF Sendungshinweis

Über den Stern von Bethlehem spricht Thomas Posch auch in einem kurzen Fernsehbeitrag für die Sendung Was ich glaube, 25.12., 18.47 Uhr. Die Sendung ist im Anschluss zudem über die ORF-TVthek sieben Tage als Video on Demand abrufbar.

Doch auch zum Wortlaut des Matthäus-Evangeliums passt eine Kometenerscheinung nicht sehr gut, sagt Posch. Der Stern zieht vor den drei „Magoi“, wie sie im griechischen Original heißen, her bis zu dem Ort, wo das Kind ist. Dort bleibt er schließlich stehen. Bewegung also kombiniert mit Stillstand, das sind die entscheidenden Informationen für die Astronomen. Und was widersprüchlich klingen mag, lässt sich tatsächlich erklären.

Planetenkonjunktion von Jupiter und Saturn

Nimmt man das Matthäus-Evangelium quasi wörtlich, so gilt als gängigste astronomische Hypothese für den Stern von Bethlehem laut Posch eine sehr seltene Dreifachkonjunktion von Jupiter und Saturn im Jahre 7 vor Christus. Diese beiden sehr hellen planetaren Gasriesen kamen einander im Laufe des Jahres ganze drei Mal so nahe, dass sie – von der Erde aus betrachtet – fast wie ein Stern ausgesehen haben dürften.

Und: Eine Planetenkonjunktion muss damals auch mit freiem Auge sehr gut zu sehen gewesen sein. Bei dieser Dreifachkonjunktion kann man also davon ausgehen, „dass sie durchaus Beachtung gefunden hat in denjenigen Kulturen, wo eben der Sternenhimmel auch astrologisch gedeutet wurde“, sagt Posch.

Insbesondere in Babylon habe es ja diesbezüglich bereits eine lange Tradition gegeben. Durchaus möglich und denkbar also, dass die Dreifachkonjunktion Sterndeuter aus dem Osten veranlasste, aufzubrechen und den Messias zu suchen, dessen Erscheinen wiederum prophezeit worden war.

Der Astronom Thomas Posch hält ein älteres Fernrohr an der Universitätssternwarte in Wien

Sabine Assmann, ORF

Der Astronom Thomas Posch an der Universitätssternwarte in Wien

Entscheidend aber ist vor allem, dass es tatsächlich in den Bahnen der Planeten einen – scheinbaren – Stillstand gibt, erklärt Posch. „Wenn nämlich die Erde von innen her einen Planeten überholt, dann kommt es zu einer Umkehrung der scheinbaren Bewegungsrichtung eines Planeten am Himmel.“

Diesen Wendepunkt des Planeten in der – scheinbaren – Schleife könne man tatsächlich als den im Evangelium erwähnten „Stillstand“ interpretieren. Aus Sicht der damaligen, geozentrischen Astronomie, versteht sich.

Sterne in der Galaxie

AFP Photo/ESO/Spitzers/S.Kraus

Kepler entdeckte Theorie - und irrte sich

Gewissermaßen als Urvater der Konjunktionstheorie gilt Johannes Kepler. Der große Astronom und Naturphilosoph hat tatsächlich das Jahr dieser Dreifachkonjunktion korrekt berechnet. Aufgrund eines ziemlich unglaublichen Zufalls gelangte er jedoch zur (falschen) Annahme, die Konjunktion habe eine Supernova ausgelöst. Und diese sei der Stern von Bethlehem gewesen.

Als Kepler selbst nämlich im Jahr 1604 in Prag Zeuge einer Jupiter-Saturn-Konjunktion wurde, leuchtete in derselben Himmelsgegend mehr oder minder zeitgleich eine Supernova auf. Was Kepler zu der Annahme verleitete, die Konjunktion sei der Auslöser der Supernova gewesen. Ergo habe sich eine solche auch parallel zur Dreifachkonjunktion im Jahre 7 vor Christus ereignet. Damit lag Kepler allerdings falsch, wie man heute weiß.

Sehr viel später hat sich der Dreifachkonjunktion dann der Wiener Astronom Konradin Ferrari d’Occhieppo angenommen. Er hat beispielsweise die oben beschriebene astronomische Interpretation des Matthäus-Evangeliums ausformuliert. Zusätzlich hielt er es für möglich, dass damals das sogenannte Zodiakal-Licht kegelförmig so am Himmel zu sehen gewesen sein könnte, dass es wie ein von den beiden Planeten bzw. vom „Stern“ ausgehender Lichtstrahl auf Bethlehem ausgesehen haben könnte.

Konkurrenztheorien rund um den Jupiter

Doch so schön die Konjunktionstheorie auch passen mag, es gibt trotzdem Forscher, die nach anderen Erklärungen suchen. Der US-amerikanische Astronom Michael Molnar etwa propagiert eine alternative Hypothese.

Im Jahre 6 vor Christus war ihm zufolge eine recht merkwürdige Konstellation zu beobachten: Zu einem bestimmten Zeitpunkt standen mehrere Planeten – Venus, Saturn und Jupiter – samt Sonne und Mond als Gruppierung im Sternbild Widder recht nahe beieinander. Außerdem bedeckte der Mond den Jupiter in jenem Jahr zweimal. Für Molnar ist Jupiter in dieser besonderen planetaren Einbettung der Stern von Bethlehem.

Diese und andere Theorien werden nach wie vor ernsthaft diskutiert. Zuletzt bei einer internationalen Konferenz 2014, deren „Proceedings“ erst kürzlich erschienen sind. Die meisten dort vorgestellten Hypothesen, erzählt Posch, würden aber nicht „von null weg beginnen“. Besondere Konjunktionen mit Jupiter spielen vielmehr fast immer eine tragende Rolle.

In vier Jahren wieder ein Stern von Bethlehem

Als astronomisches Objekt fasziniert der Stern von Bethlehem auch Posch. Er sieht eine Traditionslinie, die von den drei Weisen aus dem Morgenland bis heute führt: „Wir sind ja in gewisser Weise die Erben dieser damaligen Astronomen.“

Übrigens: In vier Jahren werden Jupiter und Saturn einander so nahe kommen, dass sie für das freie Auge zu einem einzigen Lichtpunkt verschmelzen – und das fast genau zu Weihnachten - am 21. Dezember 2020.

Sabine Aßmann, für science.ORF.at

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