„Schutzimpfung“ gegen „Fake News“

Gegen ansteckende Krankheiten kann man sich durch eine Impfung schützen: Einige Erreger werden gespritzt, der Körper bildet Abwehrstoffe. So etwas Ähnliches haben Psychologen nun gegen falsche Nachrichten im Internet ausprobiert – erfolgreich.

„Fehlinformation kann klebrig sein und sich wie ein Virus ausbreiten und vermehren“, sagt der Sozialpsychologe Sander van der Linden von der Universität Cambridge. Deshalb hat er gemeinsam mit Kollegen ausprobiert, ob es den Fakten hilft, wenn man Menschen eine Art „Schutzimpfung“ gegen Desinformation gibt.

Beispiel: Konsens der Klimawissenschaftler

Konkret angewendet haben sie es bei zwei Studien mit insgesamt mehr als 3.000 Teilnehmern. Diese wurden mit einer Reihe von Aussagen zum Klimawandel konfrontiert. Auf der einen Seite stand die wahre Aussage, wonach 97 Prozent der Wissenschaftler der Ansicht sind, dass der Klimawandel vom Menschen verursacht ist. (basierend auf dieser Studie, die konkret aussagt, dass von jenem Drittel, das eine eindeutige Position bezieht, 97 Prozent den menschlichen Einfluss bejaht - zwei Drittel beziehen allerdings nicht eindeutig Stellung, Anm.). Auf der anderen Seite stand die Oregon-Petition, der zufolge Treibhausgase nichts mit der Klimaerwärmung zu tun haben und die von 31.000 Wissenschaftlern unterschrieben worden sein soll.

Bekamen die Probanden nur die erste Aussage zu lesen, wuchs die Anzahl derer, die an einen wissenschaftlichen Konsens glauben, um satte 20 Prozent. Lasen sie die Oregon-Petition, sank die Zahl um neun Prozent. Bekamen sie beide Aussagen hintereinander zu lesen, neutralisierten sie sich, sprich: Der Anteil derer, die an einen Konsens glaubten, war gleich hoch wie zuvor.

„Viele Menschen haben keinen festen Standpunkt gegenüber dem Klimawandel“, sagt van der Linden in einer Aussendung. „Sie wissen, dass darüber diskutiert wird, sind sich aber nicht unbedingt sicher, was sie glauben sollen. Botschaften, die sich widersprechen, können dazu führen, dass sie wieder ganz am Anfang ihrer Überlegungen stehen.“

Warnhinweise als „Impfung“

Einige der Studienteilnehmer erhielten deshalb „Schutzimpfungen“ – zum einen die generelle Warnung, dass „einige politisch motivierte Gruppen irreführende Taktiken verwenden, um die Öffentlichkeit zu überzeugen, dass es viel Streit unter Wissenschaftlern gibt“, zum anderen Hinweise, dass sich unter den Unterzeichnern der Oregon-Petition einige betrügerische befinden müssen (etwa Charles Darwin und Mitglieder der Spice Girls) und dass weniger als ein Prozent von ihnen aus der Klimaforschung stammt.

Derart vorgewarnt wuchs der Anteil der Menschen, die an einen Konsens in der Wissenschaftsgemeinde glaubten, deutlich – auch wenn sie die Behauptungen der Oregon-Petition gelesen hatten. Je nach Setting waren es zwischen sieben und 13 Prozent. Die Wirkung zeigte sich bei allen Wählergruppen: Demokraten, Unabhängigen und Republikanern – die mit Abstand am stärksten „klimaskeptisch“ sind.

Wie die Forscher betonen, hätten Lobbygruppen der Tabakindustrie und von Mineralölfirmen in der Vergangenheit ähnliche „Impfaktionen“ durchgeführt, um Zweifel zu säen und den wissenschaftlichen Konsens in der Öffentlichkeit zu unterwandern. Ihre Studie zeige aber, dass man sie bis zu einem gewissen Grad auch umdrehen und für das Allgemeinwohl einsetzen könne.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at

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