Viehfutter: Insekten statt Soja

Die Weltbevölkerung wächst rasant und damit die Nachfrage nach Fleisch und Fisch. Bis jetzt wird das Vieh hauptsächlich mit Eiweißfutter aus Soja gefüttert. Doch das ist wenig klimafreundlich. Eine Alternative wird gerade eingehend erforscht: Insekten.

Bis zum Jahr 2050 soll die Nachfrage nach Fleisch und Fisch weltweit um 70 Prozent steigen. Damit der industriellen Nahrungsmittelproduktion nicht das Futter ausgeht, werden neue Proteinquellen für die Massentierhaltung gesucht. Einige Insektenarten könnten hier eine Lösung sein. Denn sie brauchen wenig Platz, ernähren sich von Abfällen und liefern viele Nährstoffe. Getrocknet und zerkleinert könnten sie zukünftig in den Trögen von Rind, Schwein und Huhn landen.

Larven, die alles fressen

Eine Insektenart, die besonders vielversprechend erscheint, ist die Schwarze Soldatenfliege. Die Larven dieser Fliegenart sind besonders effizient: Sie gedeihen auf allen möglichen organischen Abfällen. Pflanzenreste, Hühner- oder Schweinemist oder sogar menschliche Fäkalien, all das können die weißlichen Maden verarbeiten.

Das macht die Tierchen offensichtlich auch besonders nahrhaft: Sie bestehen zu 40 Prozent aus Eiweiß und Fetten. Da weltweit ein Drittel der landwirtschaftlichen Produktion bzw. unserer Nahrung weggeworfen wird, hätte das auch in Bezug auf eine Kreislaufwirtschaft Vorteile. So könnte ein wesentlich größerer Teil verwertet werden.

Ö1 Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag im Dimensionen Magazin, 27.01., 19:05 Uhr.

Kraftfutter aus 100 Prozent Maden

Der belgische Agraringenieur Geert Bruggeman gehört zu jenen Wissenschaftlern, die das Potential der Schwarzen Soldatenfliege erforschen. In einem von der Europäischen Union geförderten Projekt haben er und sein Team zwei Jahre lang untersucht, ob man bei der Fütterung von Rindern, Schweinen, Hühnern und Fischen pflanzliche Proteine gegen tierische austauschen kann.

Das Projekt zeigte, dass das bei Vieh gänzlich möglich ist. Nur bei Fischen gab es zunächst Rückschläge: Denn Insekten haben eine andere Fettsäurezusammensetzung als das Fischmehl, das die Tiere normalerweise in der Aquakultur bekommen. Doch mittlerweile ist es auch hier gelungen, das herkömmliche Futter durch Fliegenlarven auszutauschen. Versuche in Asien, bei denen die notwendigen Öle einfach zugesetzt wurden, waren erfolgreich.

Schwierigkeiten bei der Madenzucht

Die Larven-Versuche, die vergangenes Jahr zu Ende gegangen sind, haben auch einige Probleme aufgezeigt: Gerade in wärmeren Ländern gab es immer wieder Schwierigkeiten mit Fressfeinden. Auch mit Schimmelbefall hatten die Wissenschaftler zu kämpfen. Und als Futtermittel für die Larven waren sie auf Bioabfälle aus dem Supermarkt angewiesen, obwohl sie es lieber mit einer anderen Nahrungsquelle versucht hätten. „Derzeit können wir noch keinen Dung verwenden. Das wäre natürlich praktisch und nachhaltig“, erläutert Bruggeman. Ist aber wegen der aktuellen Gesetzgebung verboten.

Rechtliche Probleme gibt es auch in einem anderen Bereich: Mit der Ausnahme von Fischmehl ist es verboten, Nutztieren verarbeitetes tierisches Protein zu füttern - eine Folge der europaweiten BSE-Krise. Die Larven unbehandelt ins Tierfutter zu geben, wäre allerdings theoretisch möglich. Doch Bruggeman geht nicht davon aus, dass das in der Öffentlichkeit auf Zustimmung stoßen würde.

Keine Krankheitsüberträger, aber Allergieauslöser

Dass derartige Proteinfutter Krankheiten auf Nutztiere übertragen und in Folge auch Menschen gefährden könnten, schließt Geert Bruggeman aus. Bis dato gäbe es keinerlei Hinweise darauf. Denkbar wäre allerdings eine allergische Reaktion. Denn Insekten haben die gleiche Struktur wie Schrimps und es gibt einige Menschen, die gegen Schalentiere allergisch sind. Dennoch ist der Agraringenieur optimistisch, dass sich Fliegenlarven als Futtermittel durchsetzen werden.

In Bezug auf die Umwelt hätte das zumindest einen Vorteil: Hiesige Bauern könnten auf unökologische Sojafuttermittel aus Südamerika verzichten, für deren Anbau immer größere Flächen des Regenwaldes abgeholzt werden. Bis zu 49 Quadratmeter eines Soja-Feldes braucht es, um ein Kilogramm Rindfleisch zu produzieren. Würden statt pflanzlicher Proteine Insekten an Tiere verfüttert, wäre der Flächenverbrauch wesentlich niedriger. Bis zu 150 mal mehr Proteine könnten auf der gleichen Fläche hergestellt werden - so die Schätzungen.

Nicht der Weisheit letzter Schluss

Die Probleme, die die Massentierhaltung verursacht, würden dadurch aber nicht verschwinden. Das Methan, das Rinder ausstoßen, macht einen erheblichen Teil der Treibhausgasemissionen aus, die die Erderwärmung vorantreiben. Mit Hilfe des Insektentierfutters könnten sich die Menschen zumindest an den Gedanken gewöhnen, Insekten indirekt zu sich zu nehmen. Und in der Folge vielleicht den Umweg über Rind, Huhn und Schwein auslassen.

Marlene Nowotny, Ö1 Wissenschaft

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