CRISPR: Die Österreich-Connection

Die Patente für die Genschere CRISPR/Cas9 könnten in Zukunft Millionen einbringen. Der aufsehenerregende Rechtsstreit um deren Vergabe hat auch einen Österreich-Bezug: Die Universität Wien ist an einem Patent beteiligt.

Bis 2009 forschte Emanuelle Charpentier als mehr oder minder unbekannte Mikrobiologin am Vienna Biocenter im dritten Wiener Gemeindebezirk. Dann verließ sie die Stadt und wurde, so man diesen Begriff auf die Wissenschaft übertragen kann, ein Weltstar.

Grund für diesen Karrieresprung war ihre Entdeckung der Geneditierungs-Methode CRISPR/Cas9. Wobei mit „Entdeckung“ eigentlich zwei Erkenntnisse gemeint sind. Die erste betrifft die Frage, wie CRISPR, ursprünglich ein Abwehrmechanismus von Bakterien gegen invasive Viren-DNA, funktioniert. Die zweite die Einsicht, dass man das Ganze auch für die gezielte Manipulation von Genen verwenden könnte.

Krzysztof Chylinski

privat

Co-Erfinder Krzysztof Chylinski forscht noch am Vienna Biocenter

Wiener „Heureka-Momente“

Die „Heureka-Momente“ für das erste Problem hatte sie in Wien, erzählte Charpentier letztes Jahr in einem Ö1-Interview. An den entscheidenden Experimenten beteiligt war ihr damaliger Dissertant, Krzysztof Chylinski. Sein PhD-Studium, sagt der aus Polen stammende Molekularbiologe, sei eine großartige Zeit gewesen. „Es gab immer viel zu tun, aber es war niemals langweilig. Und wir hatten eine wirklich große Story. Das ist der Traum eines jeden Dissertanten.“

Neben Publikationen in renommierten Fachjournalen, darunter „Nature“ und „Science“, brachte ihm die Entdeckung auch die Beteiligung an einem Patent ein, das die University of California in Berkeley beim amerikanischen Patentamt eingereicht hat. Es könnte, so es bewilligt wird, dereinst Lizenzgebühren in Millionenhöhe abwerfen. Nutznießer dessen wäre primär die Universität Wien, doch auch Chylinski stünde ein Anteil zu - die sogenannte Erfindervergütung.

In Ausnahmefällen haben Universitäten in den USA durch Patente schon mehr als zehn Millionen Dollar pro Jahr eingenommen. Wie hoch die Beträge im Fall der Uni Wien sein könnten, sei nicht abzusehen, sagt Ingrid Kelly Spillmann, ebenda Expertin für Technologietransfer. „Das ist ein Pionier-Patent. Wir müssen abwarten, es ist noch alles ungewiss.“ Wie der Vertrag zwischen Berkeley und der Universität Wien aussieht, will Kelly Spillmann nicht zuletzt aufgrund des laufenden Patentverfahrens nicht sagen, nur so viel: „Es handelt sich um einen normalen Vertrag für pharmazeutische Produkte. Wir sind Miteigentümer.“

Broad mit aggressiver Patent-Strategie

Der aktuelle Patentstreit zwischen Berkeley und dem Broad-Institut (siehe: CRISPR-Patentstreit: Die Folgen des Urteils) offenbart, dass selbst in der Liga der amerikanischen Elite-Universitäten große Unterschiede bestehen, wenn es um den Business-Aspekt der Wissenschaft geht.

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Über dieses Thema berichtet heute auch das Ö1-Mittagsjournal, 24.2., 12 Uhr.

Die Berkeley-Forscher reichten ihr Patent im Mai 2012 ein, jene vom Broad-Institut waren ein halbes Jahr später dran, aber imstande, ihre Konkurrenz in der Beurteilungsphase durch das US Patent and Trademark Office zu überholen. „Das Broad-Institut ging hier viel aggressiver vor - und war damit auch erfolgreich“, sagt die Wiener Patentanwältin Gerda Redl.

Die Bilanz: Broad hält mittlerweile 13 CRISPR/Cas9-Patente in den USA und acht in Europa. Berkeley wartet immer noch auf die Bewilligungen, in den USA ebenso wie in Europa.

Mit Ellbogentechniken im Patentwesen will sich Krzysztof Chylinski indes nicht beschäftigen. Er forscht nach wie vor in Wien am Thema CRISPR/Cas9 und versucht, die Methode weiter zu verbessern. Die „große Story“ sei für seine Karriere ohne Zweifel nützlich gewesen - und wäre es wohl auch für einen Job an einer anderen Universität. „Das kann Türen öffnen, keine Frage. Doch ich bin sehr glücklich mit meinem Job. Und ich mag Wien. Ich will nicht weg.“

Robert Czepel, science.ORF.at

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