Ureinwohner prägten den Regenwald
Mit einer Größe von etwa sieben Millionen Quadratkilometern wächst am Amazonas der größte zusammenhängende Regenwald der Erde, geschätzt sind es 16.000 verschiedene Bäume und Sträucher. In dem grünen Dschungel leben unzählige Arten, viele sind vermutlich noch nicht einmal entdeckt. Heute ist das Paradies in Gefahr: Jährlich werden Tausende Quadratkilometer zerstört, sie fallen dem Menschen und seinen Expansionsplänen zum Opfer.

Diogo Lagroteria
Pfirsichpalme
Die Studie
„Persistent effects of pre-Columbian plant domestication on Amazonian forest composition“, Science, 3.3.2017
Gerodet wird der Wald, um Platz zu schaffen, unter anderem für Straßen, Palmöl- oder Sojaplantagen und Tierherden. Und diese Geschichte der Zerstörung begann schon vor hunderten Jahren. Die europäischen Eroberer vertrieben und töteten nicht nur die indigene Bevölkerung, sondern begannen auch, die Region wirtschaftlich auszubeuten. Um lukrative Produkte für den Weltmarkt, z.B. Kaffee und Bananen, großflächig anzubauen, musste der Wald weichen.
Frühe Nutzung
Vor der Ankunft der Europäer lebten die Ureinwohner mehr oder weniger im Einklang mit der Natur. Aber ganz unberührt dürfte der Amazonas-Regenwald schon damals nicht gewesen sein, wie die aktuelle Studie der Forscher um Carolina Levis vom Nationalen Amazonas-Forschungsinstitut (INPA) in Brasilien verdeutlicht.
Immerhin begannen die frühen Bewohner der Region schon vor 8.000 Jahren damit, Pflanzen für den täglichen Gebrauch zu kultivieren. Die Spuren der Domestizierung zeigen sich heute in der Zusammensetzung des Walds.

Carolina Levis
Die Palme Euterpe precatoria - aus den Früchten kann man Saft machen, die Stämme zum Bauen verwenden.
„Manche Bäume, die heute besonders häufig im Regenwald zu finden sind, wie z.B. der Kakaobaum, der Paranussbaum und der Kohlbaum (auf diesem wächst die Acai-Beere, Anm.), wurden von den frühen Bewohnern gepflanzt“, so Koautor Nigel Pitman in einer Aussendung.
Erbe der Ureinwohner
Die Forscher haben mehr als 1.000 Waldstücke und über 3.000 Ausgrabungsplätze miteinander abgeglichen. Sie konzentrierten sich auf 85 Baumarten, von denen man weiß, dass sie die Ureinwohner als Nahrungsquelle oder zum Bauen verwendet haben. Tatsächlich sind diese Arten im Amazonas-Regenwald fünfmal häufiger als nicht domestizierte Bäume. In der Nähe von Grabungsorten sind sie in noch größerer Anzahl und Vielfalt zu finden.

Hans ter Steege
Buriti-Palme. Die Früchte können roh gegessen oder zu Mehl verarbeitet werden. Aus den jungen Blättern werden Seile und Hängematten gemacht.
„Die kultivierten Baumarten dominieren große Waldstücke. Das zeigt, dass die heutige Flora des Regenwalds zumindest teilweise eine Erbe der Ureinwohner ist“, so Levis. Das gelte sogar für entlegene und alte Waldstücke, von denen man dachte, sie seien völlig ursprünglich und naturbelassen.
Schon die relative kleine Auswahl von 85 Arten zeige den starken menschlichen Einfluss. Die Forscher vermuten, dass er in Wahrheit noch größer ist. Denn die präkolumbianischen Bewohner haben hunderte Baumarten für ihren täglichen Bedarf genutzt.
Eva Obermüller, science.ORF.at