Neandertaler nahmen Schmerzmittel und Antibiotika
Forscher um Laura Weyrich von der Universität Adelaide (Australien) haben in ihrer Studie fünf Fossilien untersucht, die aus ganz unterschiedlichen Regionen stammen: aus der „Spy“-Höhle in Belgien, der „El Sidron“-Höhle in Spanien sowie der „Breuil“-Grotte in Italien.

Abel Grau / CSIC Communication
Neandertaler in Spanien - auf ihrem Speiseplan: Pilze und Pinienkerne
Für ihre Analysen haben die Forscher etwas Zahnstein abgekratzt und die darin vorhandene DNA analysiert. „Im Zahnstein bleiben nicht nur Spuren von Mikroorganismen aus dem Mund und von Krankheitserregern aus dem Magen-Darm-Trakt über Tausende Jahre erhalten, sondern auch Reste der damals konsumierten Lebensmittel“, so Weyrich.
Fleischesser in Belgien, Vegetarier in Spanien
Im Zahnstein der Neandertaler, die im heutigen Belgien lebten, fanden die Forscher DNA von Wollnashörnern und Wildschafen (Mufflons), sowie von essbaren Tintlings-Pilzen. Solche Mahlzeiten sind typisch für Jäger der Steppe.
Die Studie
„Neanderthal behaviour, diet, and disease inferred from ancient DNA in dental calculus“, Nature, 8.3.2017
Auf der iberischen Halbinsel war die Küche damals hingegen fleischarm. Der Zahnschmelz der „spanischen“ Neandertaler zeugt lediglich vom Verzehr von Moosen, Kiefernsamen und von Pilzen (gemeiner Spaltblättling). Sie lebten offenbar von gesammelten, vegetarischen Snacks aus den Wäldern. Was man zu dieser Zeit im heutigen Italien speiste, bleibt weiterhin unklar, denn die DNA aus dem Zahnstein des Breuil-Neandertalers erwies sich als nicht mehr analysierbar.
Schmerzmittel: Salycilsäure aus Pappeln
Die Neandertaler aus der „El Sidron“-Höhle litten der Studie zufolge auch unter gesundheitlichen Problemen. Die Forscher fanden bei ihnen Spuren von schädlichen Pilzen. Das könnte darauf hindeuten, dass sie verschimmelte Pflanzen gegessen haben. Ein Neandertaler hatte außerdem einen Zahnabszess und eine chronische Magen-Darm-Entzündung, was er wohl mit Schmerzmitteln sowie Antibiotika zu kurieren versuchte.

Paleoanthropology Group MNCN-CSIC
Kiefer mit Zahnstein
Dass das so ist, schließen die Forscher aus Spuren der DNA von Pappeln und Pinselschimmel (Penicillium). Die Triebe, Blätter und Rinde von Pappeln enthalten Salicylsäure, dem Wirkstoff in heutigen Aspirin-Schmerztabletten. Vermutlich hat der Neandertaler daran gekaut, um seine Zahnschmerzen zu stillen. Penicillin-Pilze wiederum enthalten natürlicherweise Antibiotika, was wohl gegen den bei ihm gefundenen Erreger von chronischen Entzündungen im Verdauungstrakt geholfen hat.
„Natürlich wissen wir nicht im Detail, wie Wissen und Konsum von Heilpflanzen erworben und umgesetzt wurden, aber mit Sicherheit waren sie vorhanden“, erklärt einer der Studienautoren, der Anthropologe Kurt W. Alt von der Danube Private University (DPU) in Krems. Dass gerade bei dem kranken Neandertaler Hinweise auf Schmerzmittel und Penicillin gefunden wurden, sei jedenfalls kein Zufall.
science.ORF.at/APA