Perfekt gefaltet: 3-D-Landkarte der DNA

Zellkerne sind nur Tausendstel Millimeter groß, dennoch beherbergen sie die zwei Meter lange DNA. Wie erstaunlich gut das Erbgut gefaltet ist, zeigen neue 3-D-Aufnahmen von Wiener Forschern.

Zu sehen sind die zusammengeknüllten 20 Chromosomen einer Maus im winzigen Kern einer embryonalen Stammzelle. Zum Vergleich: Ähnlich komplex wäre es, einen 20 Kilometer langen Faden in einem Tennisball unterzubringen. Oft werden Chromosomen in Form eines X dargestellt - tatsächlich sehen sie aber nur während der Teilung von Zellen so aus.

Eine Gruppe um den Stammzellbiologen Martin Leeb von den Max F. Perutz Laboratories (MFPL) der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien hat die 3-D-Karte gemeinsam mit Kollegen von der Universität Cambridge vorgestellt.

20 Chromosomen in verschiedenen Farben

Die Wissenschaftler kombinierten verschiedene bildgebende Verfahren sowie Zehntausende Messungen einzelner DNA-Abschnitte zu einem Gesamtbild des intakten Erbguts im Zellkern. Ein Video der Forscher zeigt die 20 Chromosomen einer Mausstammzelle in unterschiedlichen Farben:

Zellkern mit 20 Maus-Chromosomen

Credit: University of Cambridge and MRC Laboratory of Molecular Biology

Die Methode ermöglicht auch für das menschliche Genom darzustellen, welche Bereiche gerade aktiv sind, also abgelesen und in Zellbausteine umgesetzt werden. Gerade für Embryonale Stammzellen ist interessant, genau verfolgen zu können, über welche Schritte die Differenzierung der Zelle koordiniert und reguliert wird. Embryonale Stammzellen sind besonders, weil sie fast jedes Gewebe im Körper bilden können. Sie sind damit unter anderem für die medizinische Forschung bedeutsam.

Faltung hängt mit Funktion zusammen

In jeder Körperzelle eines Menschen steckt seine gesamte Erbinformation. Sie besteht aus insgesamt rund 6,5 Milliarden sogenannten Basenpaaren, die sich auf 46 Chromosomen verteilen. Sie bilden zusammen einen etwa zwei Meter langen DNA-Doppel-Strang, der im nur wenige Tausendstel Millimeter winzigen Zellkern Platz findet.

Die dreidimensionale Faltung des Erbguts entscheidet mit darüber, an welchen Stellen die Informationen der DNA besonders stark abgelesen und in Zellbestandteile wie Proteine umgesetzt werden - im Zuge der normalen Entwicklung, aber auch bei Krankheiten wie Krebs.

Aktive und inaktive Bereiche

Die Forscher nahmen zunächst hochauflösende Mikroskopbilder einzelner Mausstammzellen auf und bestimmten dann jeweils die dreidimensionale Form ihres Erbguts. Dazu verwendeten sie eine biochemische Methode, die Auskunft gibt, wo unterschiedliche Abschnitte des DNA-Fadens räumlich nahe beieinander liegen. Schließlich legten sie beides übereinander, um ein vollständiges Bild jeder Zelle mit ihrem Erbgut zu erhalten.

„Damit können wir feststellen, ob es zwischen einem bestimmten Zellverhalten und der Genomstruktur einen Zusammenhang gibt“, erklärte Martin Leeb in einer Aussendung. Die Forscher fanden etwa heraus, dass manche Teile des Erbguts (zum Beispiel die relativ aktiven „A-Bereiche“ und die eher inaktiven „B-Bereiche“) in allen Zellen ähnlich angeordnet sind, während die Strukturen anderer Abschnitte (zum Beispiel DNA-Schleifen) variierte.

Außerdem sei es mit dieser Methode möglich, die Veränderung der Genomstrukturen in dynamischen Systemen zu untersuchen, zum Beispiel wenn sich Stammzellen zu spezialisierten Körperzellen entwickeln, so Leeb. Dabei wird ihre Erbgutstruktur „mitunter massiv“ umgebaut, um sie auf ihr zukünftiges Zellschicksal vorzubereiten, berichtet er.

science.ORF.at/dpa/APA

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