„Partyzone“ in Carnuntum entdeckt

Tavernen, Souvenirgeschäfte und Imbissstuben - Archäologen haben mit Bodenradarmessungen ein riesiges Vergnügungsviertel vor den Toren der Römerstadt Carnuntum entdeckt. Dort wurden bei Veranstaltungen Tausende Feierlustige versorgt.

Wenn im großen Amphitheater vor den Toren der Stadt ein Spektakel stattfand, dann sind die ersten Leute schon bei Tagesanbruch losgezogen. Die Leute strömten aus den Stadttoren hinaus zum Amphitheater mit seinen Bestienspielen und Gladiatorenkämpfen, um rechtzeitig noch Plätze zu ergattern. Die reicheren Leute mit Platznummern rollten erst etwas später mit dem Wagen an.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmete sich auch ein Beitrag im Mittagsjournal - Audio dazu in oe1.ORF.at - am 30.3. um 12.00 Uhr.

13.000 Zuschauer passten in das größere Amphitheater von Carnuntum - einer Stadt, die in den ersten Jahrhunderten nachchristlicher Zeitrechnung sogar zwei Amphitheater unterhielt. Ob nun Plebejer der niedrigen Klassen oder reiche Patrizier – alle führte der Weg durch einen Stadtbezirk, der wohl nur an solchen Spektakeltagen zu vollem Leben erwachte, wenn Tausende Menschen an den nur dann geöffneten Verkaufsständen und Imbissstuben vorbeidrängten.

Einzigartige Karte

Solche Stadtbezirke rund um Amphitheater mit ihren Tavernen – Amüsierbetriebe, die oft auch das ganze Jahr über geöffnet waren -, Schaustellern und Souvenirgeschäften sind aus altrömischen Schilderungen bekannt, aber konnten kaum jemals mit allen Details abgebildet werden.

Eine solche weitläufige Karte mit Gebäudetypen und Straßenverläufen eines Freizeitviertels - wie die jetzt für Carnuntum erstellte - sei ungewöhnlich, wie Wolfgang Neubauer vom Ludwig Boltzmann Institut für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie erklärt: “In dieser Form hat man das noch nie gefunden, weil in vielen der römischen Städte sind zwar die Amphitheater bis heute noch erhalten, aber alle anderen Gebiete sind überbaut.“

In Carnuntum liegt der Stadtbezirk zwar nach wie vor unter der Erde, aber unter offenen Äckern und Feldern. Das ermöglicht Archäologen, sich ein ziemlich genaues Bild zu machen. Mit Bodenradar und Geomagnetik lassen sich Strukturen unter der Erde in verschiedenen Schichten so gut abbilden, dass dreidimensionale Modelle mit kleinsten Details wie z. B. Einbuchtungen entstehen können. Die Geomagnetik wiederum gibt durch die verschiedenen magnetischen Eigenschaften von Materialien Hinweise darauf, ob man etwa Stein- oder Ziegelmauern betrachtet.

„Kaufen Sie, kaufen Sie!“

Analysen zeigten, dass vor den Toren der recht bedeutenden Stadt ein großes und lebendiges Viertel lag, das bei Veranstaltungen Tausende Menschen verköstigte und unterhielt. Von früh bis spät in die Nacht versorgten Imbissstände die hungrigen Feierlustigen - die Radarmessungen zeigen deutlich Fundamente für Thermopolien: Räume mit einer thekenartigen Struktur mit Einbuchtungen für mehrere Kessel, die von unten warmgehalten werden konnten - ähnlich wie bei Speiseausgaben in heutigen Kantinen - und wie sie in Pompeji und Herculaneum vollständig erhalten sind.

Außerdem gab es wohl jede Menge Schausteller auf einer Art Fanmeile, die zum Beispiel Souvenirs feilboten - kleine Öllämpchen mit Abbildungen der beliebten Gladiatoren, die ähnlich wie heutige Sportler Fans hatten, oder auch kleine Figuren der Arenakämpfer, die die Leute wohl als Erinnerung an solche Spektakel mit nach Hause nahmen.

Figuren und Öllämpchen dieser Art hat man in Carnuntum schon zuhauf gefunden – Verkaufsstände im Stadtviertel konnte man durch Bodenradarmessungen belegen, erklärt Neubauer, nämlich anhand typischer Wände, die zur Front hin offen und als Doppelmauer ausgeführt waren, sodass man einen Holzladen herunterziehen konnte, um das Verkaufslokal zu verschließen.

Brot und Spiele

Zudem zeigen die Bodenradarmessungen auch Tavernen und Weinlager, genauso wie einen riesigen Getreidespeicher. „Und gleich neben diesem Getreidespeicher haben wir auch eine sehr massive Anomalie in unseren Magnetfeldmessungen gehabt, und das deutet darauf hin, dass wir hier einen großen Brotbackofen vor uns haben“, erklärt Neubauer - die Ziegel hätten nämlich durch die Hitze im Ofen andere magnetische Eigenschaften. Die Vielzahl an Amüsierbetrieben, Ausspeisungen und auch der überdimensionierten Brotbackofen deuten auf eine Infrastruktur für Tausende Menschen, die sich in dem Stadtviertel wohl vor allem dann tummelten, wenn Spiele im Amphitheater abgehalten wurden.

Den Trubel und Lärm müsse man sich dazu vorstellen, meint Neubauer: das Grölen aus dem Amphitheater, wenn ein Schlag saß, so wie Fußballfans ein Tor bejubeln, die feuchtfröhlichen Bankette vor und nach den Spielen, die Gassen voller Angetrunkener, die vielleicht von früh an mit Feiern beschäftigt waren. Gerade wenn das Spektakel von jemandem ausgerichtet war, der sich etwa Unterstützung für seine Wahl in das Amt des Magistraten erhoffte. Man sehe in Carnuntum alles, was man für „Brot und Spiele“ braucht, ganz wie man es aus der Literatur kennt.

Isabelle Ferenci, Ö1 Wissenschaft

Mehr zum Thema