Eine Raupe mit Appetit auf Plastik
Die Entdeckung gelang durch einen Zufall. „Ich beschäftige mich beruflich mit Hühnerembryos, bin aber Hobby-Bienenzüchterin“, so Federica Bertocchini, die an der Studie beteiligt war. Bei der Säuberung eines Bienenstocks habe sie zu Hause im nordspanischen Santander, wo sie an der Universidad de Cantabria arbeitet, plötzlich „diese Würmchen“ entdeckt.
César Hernández/CSIC
„Sie ernähren sich von Pollenresten und sind für uns Imker wie die Pest.“ Die Italienerin warf die Larven der Großen Wachsmotte (Galleria mellonella) in ein Plastiksackerl. Und siehe da: „Nach einer Weile war der Beutel voller Löcher und die Larven draußen!“
Die Studie
„Polyethylene bio-degradation by caterpillars of the wax moth Galleria mellonella“, Current Biology, 24. April 2017
Diese Beobachtung setzte die Forschungsarbeit der Wissenschaftlerin und ihrer Kollegen in Gang. Dabei fanden sie heraus, dass rund 100 Wachsmottenlarven in zwölf Stunden etwa 92 Milligramm eines normalen Einkaufssackerls aus Polyethylen fressen können. „Das ist ein sehr schneller Abbau, schneller als alles, was zu diesem Thema bisher wissenschaftlich veröffentlicht wurde“, sagt Bertocchini.
Suche nach Enzym
„Wir vermuten, dass für diese schnelle Zersetzung ein Molekül oder Enzym verantwortlich ist, das wir zu isolieren versuchen werden.“ Dieses Enzym könne man dann in großen Umfang produzieren und es nutzen, um Plastikmüll abzubauen, hofft die junge Wissenschaftlerin.
Auch andere Organismen wie Pilze und Bakterien sind bekannt dafür, dass sie Kunststoffe abbauen können. Erst voriges Jahr wurde am japanischen Kyoto Institute of Technology ein Bakterium namens Ideonella sakaiensis entdeckt, das PET-Flaschen verdauen kann.
Doch wie andere zuvor entdeckte „Plastikfresser“ ist auch Ideonella weit davon entfernt, eine Lösung für das globale Problem mit dem Plastikmüll zu liefern. Unter optimalen Bedingungen und bei Temperaturen um die 30 Grad Celsius braucht es etwa sechs Wochen, um ein kleines Stück Polyethylenterephthalat (PET) zu zersetzen.
Großes Potenzial
Da ist die Wachsmottenraupe beim Abbau von Polyethylen (PE) deutlich schneller. Dieses aus Erdöl hergestellte synthetische Polymer werde vor allem zur Herstellung von weltweit rund einer Billion Sackerln pro Jahr benutzt, die insgesamt rund 60 Millionen Tonnen Plastik entsprächen, erklärt Bertocchini. Die Forscher sehen daher in der Raupe ein großes Potenzial für bedeutende biotechnologische Anwendungen.
Paolo Bombelli
Plastik ist biologisch kaum abbaubar. Die Zersetzung kann mehrere Jahrhunderte dauern. Der Plastikmüll landet häufig in der Umwelt. Im Meer wird der Abfall von Fischen oder von Vögeln gefressen, die oft qualvoll an dem unverdaulichen Stoff verenden.
science.ORF.at/APA/dpa