Erbgut der Gerste entschlüsselt
Nils Stein vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) leitet das internationale Konsortium zur Sequenzierung des Gerstengenoms seit 2008. Die nun entstandene sogenannte Referenzsequenz des Erbguts sei unter anderem für Züchter sehr hilfreich. „Früher mussten Züchter bei Kreuzungen erst abwarten: ist die Pflanze wirklich besonders ertragreich oder resistent gegen einen Schädling“, sagt Stein. Inzwischen würden sogenannte molekulare Marker eingesetzt, da die Eigenschaften immer genreguliert seien.
Nils Stein
Die Studie
„A chromosome conformation capture ordered sequence of the barley genome“, Nature, 26. April 2017
„Auch kleinere Betriebe arbeiten damit, isolieren von den Pflanzen schon im Samen- oder Keimstadium DNA und prüfen, ob die gewünschte Eigenschaft vorhanden ist.“ Nur diese Pflanzen würden aufbewahrt und vermehrt, die Züchtung von neuen erwünschten Merkmalen so deutlich beschleunigt. Dank der Entschlüsselung des Gerstengenoms sei das jetzt auch bei der Ackerpflanze möglich. Die Erkenntnisse könnten auch dazu beitragen, die Qualität von Gerstenmalz für die Bierherstellung zu verbessern.
Aufwendige Entschlüsselung
Für ihre Untersuchung zerstückelten die Forscher das Erbgut mit seinen rund fünf Milliarden Bausteinen zunächst. Dann analysierten sie die einzelnen Schnipsel und bestimmten deren Abfolge auf den insgesamt sieben Chromosomen. So konnten sie schließlich auch die Verteilung einzelner Gene im Erbgut bestimmen. Das Erbgut der Gerste ist den Wissenschaftlern zufolge fast zweimal größer als das des Menschen. Zudem gebe es viele Sequenzen, die mehrfach vorkämen. Das habe die Entschlüsselung so aufwendig gemacht.
Nils Stein
Die Wissenschaftler untersuchten auch die genetische Vielfalt in mehr als 90 modernen Sorten von Winter- und Sommergerste. Diversität sei etwa wichtig, um die Ackerpflanze an veränderte klimatische Bedingungen wie lange Trockenheit oder Starkregen anpassen zu können, so Stein. Auch die Widerstandsfähigkeit gegenüber Schädlingen liege im Erbgut begründet. Vor einigen Jahren habe etwa ein Rostpilz im Weizen für schwere Schäden gesorgt und im Zuchtmaterial habe es keine natürlichen Resistenzen gegeben.
Die vorgelegte Referenzsequenz soll in solchen Fällen bei der schnellen Suche nach entsprechenden Eigenschaften im Erbgut der Gerstensorten helfen. Das IPK in Gatersleben forscht selbst mit den Ergebnissen weiter - und gleicht die Referenz mit den 22.000 Samenmustern von Gerstensorten aus der ganzen Welt ab, die in der eigenen Datenbank vorliegen. Zudem kooperieren sie mit weiteren internationalen Forscherteams, die auch das Erbgut von Brot- und Hartweizen knacken wollen.
science.ORF.at/APA/dpa