Auf den Spuren des Homo Urbanus

Bis 2030 werden fünf Milliarden Personen in Städten leben. Der Frage, wie ihr Leben menschengerecht gestaltet werden kann, widmet sich die Verhaltensbiologin Elisabeth Oberzaucher in dem Buch „Homo Urbanus“: Die Antworten liegen in der evolutionären Vergangenheit.

Deshalb holt die auf die Erforschung menschlichen Verhaltens spezialisierte Biologin von der Universität Wien weit aus in der Evolutionsgeschichte von Homo sapiens. Sie geht zurück bis in die Savannenlandschaft Ostafrikas, als unsere Vorfahren begannen, auf zwei Beinen zu gehen und Verhaltensweisen zu entwickeln, die ihr Überleben sicherten und bis heute „in unseren physischen, kognitiven und sozialen Eigenschaften“ Wirkung zeigen.

Buch

Elisabeth Oberzaucher: „Homo urbanus - Ein evolutionsbiologischer Blick in die Zukunft der Städte“, Springer Verlag, ISBN: 978-3-662-53837-1

So stellt Oberzaucher, die in den vergangenen Jahren durch die Verleihung Ig-Nobelpreises (2015) und als Mitglied der Wissenschafts-Kabarettisten „Science Busters“ einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden ist, die verschiedenen Theorien vor, mit denen diese Verhaltensweisen erklärt werden. Manche streift sie nur, anderen widmet sie mehr Raum. Etwa der Prospect-Refuge-Theorie, wonach der Mensch Orte bevorzugt, die von einer geschützten Beobachtungsstelle einen guten Überblick geben - auch wenn man sich nicht mehr in der Savanne, sondern in einem Cafe auf einem Stadtplatz aufhält.

Kognitive Kniffe

Evolutionär dürfte unser Gehirn für das Zusammenleben in einer rund 150 Mitglieder umfassenden Gruppe optimiert sein. „Nur mithilfe kognitiver Kniffe ist es uns möglich, in Millionenstädten zu leben“, so Oberzaucher. Ein solcher Mechanismus ist die sogenannte „Territorialität“. Dieses Konzept erläutert die Biologin ausführlich, etwa anhand des „Erfolgsmodell“ des Wiener Gemeindebaus, dem „ein intuitives Verständnis unserer Verhaltenstendenzen und Landschaftspräferenzen zugrunde liegt, das keinen Moden unterliegt, sondern auf unsere evolutionären Wurzeln zurückgeht“.

Für Oberzaucher erlaubt die Flexibilität der menschlichen Kognition, mit evolutionär neuen Problemen umzugehen, wie es etwa das Stadtleben darstellt. Doch das geht nicht ohne Kosten in Form kognitiver Überlastung - sprich Stress. Stadtplanung sollte diesen möglichst gering halten, indem sie sich nicht nur mit ökonomischen und verkehrsdynamischen Überlegungen beschäftigt, sondern „die Stadt auch als Lebensraum für Menschen sieht“, appelliert Oberzaucher.

Menschengerechte Planung

Erfolgreiche und nachhaltige Stadtplanung und Architektur stelle menschliche Bedürfnisse und Verhaltenstendenzen in den Mittelpunkt, „Projekte, die am Menschen vorbei geplant werden, sind zum Scheitern verurteilt“. Durch ein Verständnis unserer biologischen Wurzeln und deren Berücksichtigung in Stadtplanung und Architektur könnten urbane Umwelten gestaltet werden, die menschenwürdige Lebensräume darstellen.

Investitionen in lebenswerte Städte würden sich langfristig rechnen, ist Oberzaucher überzeugt. Denn verbesserte Lebensbedingungen und dadurch erhöhte Lebenszufriedenheit seien mit zahlreichen und umfassenden indirekten Vorteilen verbunden. Umgekehrt sei „die Vernachlässigung des Faktors ‚Mensch‘ eine ökonomisch ungünstige Strategie“.

science.ORF.at/APA

Mehr zum Thema