Kreiskys Crowdfunding für Stanford

1976 haben die USA den 200. Geburtstag ihrer Unabhängigkeitserklärung gefeiert. Die Kreisky-Regierung machte den USA deshalb gemeinsam mit der österreichischen Bevölkerung ein Jahr später ein besonderes Geschenk: Man finanzierte einen Lehrstuhl.

Seit 40 Jahren, also seit 1977, gibt es den Austrian Chair an der renommierten Stanford University in Kalifornien. Es ist wohl der erste Lehrstuhl, der in Österreich via Crowdfunding – sprich durch Geldspenden aus der Bevölkerung – finanziert wurde.

Dazu aufgerufen hatte Bundeskanzler Bruno Kreisky. „Man wollte sich damit für die großzügige Hilfe bedanken, die Österreich von Seiten der USA beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg erhalten hatte“, sagt der Zeithistoriker Dirk Rupnow.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 2.5., 13:55 Uhr.

Die Aktion war als Lotterie organisiert, die Spender und Spenderinnen hatten also auch die Möglichkeit, etwas zu gewinnen: „Es wurden in Banken für mindestens 50 Schilling Aufkleber für Autos verkauft, die das Logo des Bicentennials dargestellt haben, einen amerikanischen Stern. Darüber wurde also Geld gesammelt. Und das Versprechen der österreichischen Bundesregierung war, das gesammelte Geld zu verdoppeln.“

Werbung für den Amerikastern

Dirk Rupnow - Stanford University

Werbung für den Amerikastern

Erstaunlich hoher Betrag

Die Aktion hatte überraschenden Erfolg. Aus den Zinsen, die das damals gesammelte Geld abwirft, wird der Austrian Chair in Stanford bis heute finanziert. Die Gastprofessur hat jedes Jahr ein anderer Forscher bzw. eine andere Forscherin mit Österreich-Fokus aus den Geistes- und Sozialwissenschaften inne.

„Die Aktion wurde durch TV-Shows mit allen möglichen Stars flankiert. Auch Bruno Kreisky war in der Abschlusssendung und hat dort noch einmal über diese Idee geredet. Und dann kamen damals über zwölf Millionen Schilling zusammen“, erzählt Dirk Rupnow.

Aktionstage politische Bildung

Von 23. April bis 9. Mai werden in ganz Österreich vielfältige Zugänge zur politischen Bildung aufgezeigt.

Das heißt: Es kam so viel Geld zusammen, dass daraus neben der Gastprofessur in Stanford auch ein Zentrum für Österreichstudien an der University of Minnesota finanziert werden konnte: „Dazu muss man im Hinterkopf haben, dass damals Jimmy Carter zum nächsten Präsidenten gewählt und Walter Mondale Vizepräsident wurde – ein Senator aus Minnesota.“ Diese Verbindung zum kommenden Vize-Präsidenten, dürfte Kreisky sehr interessant gefunden haben: „Außerdem wird Kreisky wichtig gewesen sein, und auch das kann man so indirekt aus den Akten herauslesen, dass Minnesota eben eine staatliche Universität ist“, so Dirk Rupnow.

Vorteilhafter Auslandsaufenthalt

Dirk Rupnow leitet das Institut für Zeitgeschichte an der Universität Innsbruck und ist dieses Jahr Inhaber des Austrian Chair an der Stanford University, wo er nunmehr forscht und lehrt, unter anderem zur österreichischen Migrationsgeschichte seit den 1960er Jahren.

Zu den Vorteilen, die ein Aufenthalt in Standford bietet, sagt er: „Natürlich können wir jedes Buch in Innsbruck bestellen, aber man sollte das nicht unterschätzen, wenn man an einem anderen Ort ist. Man kann mit anderen Kollegen und Kolleginnen interagieren, sich in einem anderen Umfeld bewegen. Das eröffnet einem tatsächlich neue Perspektiven für die eigene Arbeit.“

Der Menschenrechtsexperte Manfred Nowak, der Politologe Anton Pelinka, der Germanist Wendelin Schmidt-Dengler und die Linguistin Ruth Wodak sind einige bekannte Forscherinnen und Forscher, die den Austrian Chair in Stanford bisher innehatten.

Tanja Malle, Ö1-Wissenschaft

Mehr zu den Aktionstagen politischer Bildung: