Forscher nutzen störende Einflüsse

Wechselwirkungen zwischen anorganischen und organischen Molekülen können die Transporteigenschaften von organischen Halbleitern massiv verändern bzw. stören. Grazer Forscher nutzen nun diese vermeintlich störenden Einflüsse beim Materialdesign.

Organische Halbleiter bieten ein enormes Potenzial für die günstige Herstellung von elektronischen Bauteilen, zum Beispiel Leuchtdioden, oder auch von Solarzellen. Die Arbeitsgruppe von Egbert Zojer an der Technischen Universität Graz beschäftigt sich mit der Computersimulation von organischen Halbleitern ab der atomaren Ebene.

Die Studie

„Electrostatic Design of 3D Covalent Organic Networks“, Advanced Materials, 10.5.2017

Die Anwendungen der computerunterstützten Modellierung erstrecken sich von der Interpretation von experimentellen Ergebnissen bis zum Design neuartiger Materialien, wie Zojer vom Institut für Festkörperphysik Graz gegenüber der APA schilderte. Darüber hinaus werden durch Simulation theoretische Vorhersagen von Materialeigenschaften noch vor der Materialsynthese möglich.

Natürliche Effekte

Und hier ist die Gruppe einen wesentlichen Schritt weitergekommen und schlägt ein neues Konzept zur Kontrolle der elektronischen Materialeigenschaften vor. Es stützt sich auf sogenannte kollektive elektrostatische Effekte. Diese entstehen in Materialien mit periodisch angeordneten Dipolen und entstehen als Folge der Überlagerung der Felder der polaren Molekülbausteine.

3D Ansicht von manipulierter energetischer Landschaft innerhalb eines ausgedehnten Materials.

TU Graz

3D-Ansicht von manipulierter energetischer Landschaft innerhalb eines ausgedehnten Materials

„In solchen Konstellationen wird ein Sprung in der elektrostatischen Energie induziert, der die elektronischen Zustände verschiebt“, erklärte Zojer. Aus dieser Erkenntnis heraus könnten, so die Vision des Grazer Professors, Materialien entwickelt werden, in denen diese natürlich entstehenden Effekte gezielt eingebaut und genützt werden. „Wir versuchen also nicht, Wege zu finden, diese unvermeidlichen Effekte zu umgehen, sondern nutzen sie gezielt für unsere Zwecke aus“, beschrieb der Grazer Physiker seine grundlegende Idee.

Gezielte Manipulation

Die Grazer Gruppe um Zojer beschäftigt sich schon seit Jahren mit dieser Frage: Erster Schritt war das elektrostatische Design von molekularen Monolagen, die auf Goldelektroden aufgebracht wurden. Die vorhergesagten Energieverschiebungen wurden in der Monoschicht auf der Goldoberfläche als auch in zweidimensionalen Materialien wie Graphen bereits experimentell bewiesen. Auch konnte gezeigt werden, dass sich der erwünschte Ladungstransport gezielt manipulieren lasse, blickt Zojer zurück.

Zuletzt konnten Zojer, seine Dissertantin Veronika Obersteiner und weitere Kollegen zeigen, dass das Potenzial des Konzepts auch in dreidimensionalen Netzwerken mit starken kovalenten Bindungen (Covalent Organic Networks) aufgeht, wie die Gruppe in der jüngsten Ausgabe des Fachmagazins „Advanced Materials“ darlegt. „Hier zeigen wir, wie man mittels kollektiver elektrostatischer Effekte die energetische Landschaft innerhalb eines ausgedehnten Materials so manipuliert, dass räumlich begrenzte Pfade für Elektronen und Löcher entstehen. So kann man beispielsweise gezielt Ladungsträger trennen und die elektronischen Materialeigenschaften je nach Bedarf gestalten“, so Zojer. Der Grazer Forscher hält die jüngsten Ergebnisse insbesondere für Solarzellen interessant.

science.ORF.at/APA

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