Hallstatt: Salzabbau schon in Steinzeit?

Der Salzabbau in Hallstatt hat vermutlich deutlich früher begonnen als bisher gedacht: nämlich in der Jungsteinzeit, um 5000 vor Christus. Dies legt die Analyse von Bohrkernen aus Mooren um den Hallstätter See nahe.

Es sind winzige Zeugen längst vergangener Zeiten, die geholfen haben, eines der großen Rätsel um Hallstatt zu lösen: Wann in prähistorischer Zeit der Beginn des Salzabbaus zu datieren ist - nämlich Pflanzenpollen. Fündig wurde die Projektgruppe HALLIMPACT unter der Leitung von Kerstin Kowarik in Bohrkernen, die in den letzten Jahren aus dem Hallsttätter See und den umliegenden Mooren geholt wurden.

Blick auf Hallstatt und den Hallstätter See

Josef P. Glanz

Hallstatt vom See aus

Pollen von Getreide und sogenannten Kulturfolger-Pflanzen wie Spitzwegerich, Sauerampfer oder Löwenzahn verraten sehr viel über das Wirken des Menschen in seiner Umgebung. Blütenstaub und Mikroorganismen sind in den Tiefen des Seegrundes und in den Mooren seit Jahrtausenden konserviert. Sie müssen nur „gelesen“, also richtig interpretiert werden.

Pollen schreiben Geschichte

„Was die Menschen hier in der Jungsteinzeit gemacht haben, war bisher völlig ungeklärt. Die einzigen Funde, die wir aus dieser Zeit haben, sind vereinzelte Steinbeile. Dass wir jetzt Hinweise auf landwirtschaftliche Nutzung gefunden haben, ist eine Sensation“, sagt Ruth Drescher-Schneider vom Botanischen Institut der Uni Innsbruck.

Bohrkern aus dem Moor

Kerstin Kowarik, NHM

Bohrkern aus dem Hochmoor

Sie hat die Moorbohrkerne im HALLIMPACT-Projekt ausgewertet. „Wir wissen nun, dass die Menschen um 5000 vor Christus die Landschaft in Hallstatt sehr intensiv bewirtschaftet haben“, so Projektleiterin Kerstin Kowarik vom Naturhistorischen Museum Wien. „Wir haben deutliche Hinweise auf Viehwirtschaft.“

Salzabbau schon vor 7000 Jahren

„Das alles bringen wir natürlich in Verbindung mit dem Salzabbau. Anders können wir uns die menschliche Präsenz hier und die intensive Bewirtschaftung nicht erklären. Das heißt, wir können jetzt den Beginn der Geschichte der Salzgewinnung in Hallstatt in die Jungsteinzeit datieren“, meint Kowarik.

Sendungshinweis

Dem Thema widmen sich auch Beiträge im Ö1 Mittagsjournal am 19.5. um 12:00 und in Ö1 Wissen aktuell um 13:55 und in der Zeit im Bild um 19:30.

Doch nicht nur das haben die Forscher aus den See- und Moorbohrkernen gelesen. Auch ein anderes Kapitel der Geschichte Hallstatts kann – oder muss – nun neu interpretiert werden: Die erste historisch gesicherte Erwähnung des mittelalterlichen Bergbaus stammt ja aus dem 14.Jahrhundert, was davor war, wusste man nicht. „Auch da haben uns die winzigen Helfer aus den Sedimenten große Geschichten erzählt. Und in diesem Fall, indem wir sie nicht gefunden haben“, so Kowarik.

Neudatierung auch im Mittelalter

Denn auch aus dem Fehlen von Pollen kann auf die Umweltbedingungen oder auf gewisse Eingriffe des Menschen und Eingriffe in die Natur geschlossen werden. Um das Jahr 1000 vor Christus fehlen plötzlich die Pollen von Fichten, Kiefern und Tannen. „Plötzlich finden wir keine Baumpollen mehr, Bäume verschwinden offenbar regelrecht.

Spitzwegerich-Pollen

Ilse Draxler, Geologische Bundesantalt Wien

Spitzwegerich-Pollen

Das lässt auf massive Rodungen schließen, Getreidepollen finden wir hingegen in großen Mengen. Das heißt, dass Menschen hier sind, und zwar dauerhaft. Sie betreiben Ackerbau und Viehzucht“, sagt Kowarik. Und das lasse sich eigentlich nur erklären, wenn sie hier Salz abgebaut haben. Damit könne man auch den Wiederbeginn des mittelalterlichen Salzabbaus um rund 300 Jahre vordatieren.

FACEALPS – neues Großprojekt

Die erfolgreiche, interdisziplinäre Forschungskooperation des HALLIMPACT-Teams erfährt nun Fortsetzung und Ausweitung. Die Österreichische Akademie der Wissenschaften investiert in die weitere, noch intensivere Erforschung einer der ältesten Industrieregionen der Welt. Im Rahmen des Projekts FACEALPS soll die Mensch-Umwelt-Beziehung der letzten 3.500 Jahre erforscht werden.

Ein 19-köpfiges Team vereint unter anderem Disziplinen wie Archäologie, Botanik, Dendrochronologie, Sedimentologie, Palynologie oder Geophysik, um die Rätsel, die durch die neuen Erkenntnisse „mitentstanden“ sind, genauer zu erforschen. Wie griffen die Menschen in ihre Umwelt ein? Wie hat die Umwelt die Menschen verändert?

Historische Naturkatastrophen

Ein inhaltlicher Schwerpunkt des Projektes wird sein, anhand der Analyseergebnisse aus See- und Moorbohrkernen ein Inventar klimatischer und geologischer Extremereignisse zu erstellen. Murenabgänge, Hochwässer, Bergrutsche – im Seesediment ist alles gespeichert, was seit der Eiszeit durch die Winde, vom Berg, vom Ufer oder durch die Flüsse in den See gespült wurde.

Der Geologe Stefan Lauterbach widmet sich der Rekonstruktion von Hochwasserereignissen der letzten 3.500 Jahre. „Es ist wie bei Baumringen. Jedes Jahr lagert sich im See Sediment ab. Bei Hochwasser wird viel Material über die Traun eingeschwemmt – und diese ganz charakteristischen Lagen identifizieren wir. So lassen sich historische Natur-Ereignisse rekonstruieren.“

Start im Moor – Finale im See

Letzte Woche wurden in einem Hochmoor in der Nähe des Bergwerkes die ersten Proben gezogen. Das FACEALPS – Projekt setzt auf Vernetzung und Kooperation. Teamleiterin Kerstin Kowarik: „Im Hochmoor haben wir geophysikalische Messungen gemacht und Proben gezogen. Daraus lesen wir, wie oft zum Beispiel Rutschungen passiert sind, welche Mengen zu Tal gegangen sind.“

Moorbohrung

Kerstin Kowarik, NHM

Bohrungen im Hochmoor

Michael Grabner, ein Experte für Dendrochronologie an der Universität für Bodenkultur Wien, bestimmt dann das Alter des Holzes, um das Ereignis exakt datieren zu können, schildert Kowarik die ambitionierten Pläne. „Und dann – was sehr spannend ist – gehen wir runter in den See, denn auch dort finden wir Zeugnisse dieser Massenbewegungen." Und aus der Verbindung all dieser Daten ergeben sich ganz neue Erkenntnisse. „Das ist der moderne und zukunftsweisende Forschungsansatz des Projektes“, so Kowarik. FACEALPS ist auf drei Jahre anberaumt.

Josef Glanz, science.ORF.at

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