Wo die Liebe im Gehirn wohnt

Bei den Menschen ist es eher unklar, Präriewühlmäuse hingegen zählen mit Sicherheit zu den Säugetierarten, die als Paar ein Leben lang zusammenbleiben. Wie der „Liebesschaltkreis“ in ihrem Gehirn aussieht, haben nun US-Forscher geklärt.

Was für Microtus ochrogaster gilt, könnte auch für Menschen relevant sein – etwa bei der Therapie von Autismus, hofft ein Team um die Neurowissenschaftlerin Elizabeth Amadei von der Georgia Tech University.

Der oder die andere hinterlässt Spuren

Das Thema Liebe ist für viele Menschen ein Rätsel, für die Neurowissenschaft ein ganz spezielles: Wie schafft es ein Individuum, so fragt sie sich, im Gehirn eines anderen Individuums buchstäblich Spuren zu hinterlassen? Ganz wichtig, das ist bekannt, ist dabei das neuronale Belohnungszentrum, das durch die Anwesenheit eines oder einer anderen aktiviert wird.

Was dabei aber genau vor sich geht und wann aus einem Anbandeln eine echte Bindung entsteht, ist bisher nicht genau erforscht. Elizabeth Amadei und Kollegen haben das nun in ihrer neuen Studie nachgeholt. Sie haben die Gehirnaktivität weiblicher Präriewühlmäuse beim Kennenlernen potenzieller Partner untersucht.

Vermittelt über bekannte „Gefühlscocktails“ im Gehirn wie Oxytocin und Dopamin stellte sich ein Schaltkreis zwischen zwei Regionen als zentral heraus: zwischen dem präfrontalen Kortex, der mit dem Treffen von Entscheidungen in Verbindung steht, und dem Nucleus accumbens, dem Knoten des Belohnungssystems.

Männchen und Weibchen beim Kuscheln

Zack Johnson

Männchen und Weibchen beim Kuscheln

Liebe per Lichtschalter

Sechs Stunden lang brachten die Forscher weibliche Präriewühlmäuse mit männlichen Artgenossen, die sie vorher noch nie gesehen hatten, zusammen. Je aktiver der neuronale Schaltkreis war, desto schneller sprühte es zwischen den Tieren Funken. Oder in Verhaltenssprache ausgedrückt: desto eher kuschelten sie sich aneinander und desto eher hatten sie zum ersten Mal Sex.

Dass es sich um mehr als einen Zusammenhang handelte, zeigte ein weiteres Experiment der Forscher. Dabei manipulierten sie einige der Weibchen optogenetisch: D. h., sie statteten die Tiere mit winzigen „Lichtschaltern“ im Gehirn aus, mit denen man auf Knopfdruck bestimmte Gruppen von Nervenzellen einschalten kann – im konkreten Fall jene des „Liebesschaltkreises“.

Grundlagenforschung mit Aussichten

Dann brachten sie die Weibchen mit Männchen in einem nicht-romantischen Setting zusammen und aktivierten die ausgesuchten Neuronen. Am nächsten Tag, als die Mäuse einen Partner wählen durften, zeigten sie deutlich mehr Interesse an jenen Männchen, die sie bereits vom Vortag und bei aktiviertem Liebesschaltkreis kannten – bis dahin unbekannte Artgenossen hatten keine Chance.

„Es ist faszinierend zu denken, dass wir das Bindungsverhalten der Tiere mit Hilfe eines Lichtschalters in ihrem Gehirn stimulieren können“, meinte der Genetiker Zack Johnson von der Emory University, einer der Studienautoren, in einer Aussendung. Ob die Forscher die Weibchen mit der „Liebeswahl per Schalter“ glücklich gemacht haben - darüber schrieben sie nichts.

Sie sehen die Arbeit als Teil einer größeren Grundlagenforschung, die herausfinden will, wie Schaltkreise im Gehirn bei natürlichem Sozialverhalten funktionieren. Daraus können sich auch einmal konkrete Anwendungen beim Menschen ergeben – etwa in Fällen, in denen das Sozialverhalten gestört ist, wie bei Autismus.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at

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