Wenn ein Asteroid auf die Erde trifft

Meterhohe Tsunamis, gewaltige Hitze und druckvolle Stoßwellen: Hollywood hat vorgemacht, was beim Einschlag eines Asteroiden auf der Erde passiert. Forscher haben berechnet, was wirklich geschehen würde.

In einer im April 2017 erschienenen Studie zeigen Wissenschaftler, welcher Effekt eines einschlagenden Asteroiden auf der Erde für die meisten Opfer sorgen würde.

Druckwellen am gefährlichsten

Bei Einschlägen ins Meer führen Tsunamis naturgemäß zu den meisten Opfern, berichtet das Team um Clemens Rumpf von der Universität Southampton in Großbritannien. Insgesamt gesehen geht davon jedoch keine so große Gefahr aus wie von Einschlägen auf der Erde. Besonders gefährlich sind bei Letzteren atmosphärische Druckwellen, die sich mit Überschallgeschwindigkeit ausbreiten, und dabei entstehende starke Winde. Sie sind laut Studie für über 60 Prozent der Todesopfer bei Einschlägen von Asteroiden bis 400 Meter Durchmesser verantwortlich.

Die Wellen, die durch den steigenden Druck in der Atmosphäre entstehen, und Windstöße, die die Druckunterschiede ausgleichen, können Menschen durch die Luft schleudern und Gebäude einstürzen lassen. Der Wind könne die Geschwindigkeit von Orkanen überschreiten.

Illustration eines Meteoriteinschlags auf der Erde

NASA/Don Davis

NASA-Illustration eines Einschlags

50.000 Asteroideneinschläge simuliert

In ihrem Computermodell ließen die Forscher 50.000 Asteroiden mit 15 bis 400 Meter Durchmesser - die am wahrscheinlichsten auftretenden Größen - auf die Erde treffen. Die Ergebnisse könnten Krisenmanagern bei der Vorbereitung auf einen drohenden kosmischen Einschlag helfen, kommentiert Rumpf in seiner Studie. Bei kleineren Einschlägen könne die Bevölkerung Schutz etwa in Kellern suchen, bei größeren Asteroiden seien Evakuierungen unumgänglich.

Ein Asteroid mit rund 60 Meter Durchmesser trifft laut Rumpf im Schnitt etwa alle 1.500 Jahre auf die Erde, ein rund 400 Meter breiter alle 100.000 Jahre. „Die Wahrscheinlichkeit eines Asteroideneinschlags ist wirklich gering. Aber die Konsequenzen können unvorstellbar sein“, sagt Rumpf.

Kleinere Körper verglühen häufig in der Atmosphäre - auf der Erdoberfläche bekommt man davon meist nichts mit. 2013 aber explodierte ein etwa 20 Meter großer Meteorit über der russischen Millionenstadt Tscheljabinsk und ließ die Auswirkungen solcher gefährlichen Stoßwellen erahnen: Rund 7.000 Gebäude wurden beschädigt, etwa 1.500 Menschen verletzt.

Kleine Meteoriten schwer vorherzusagen

Das Problem: Solche kleinen Körper seien zahlreich, oft nicht sichtbar und deshalb schwer zu beobachten, sagt Kai Wünnemann vom Naturkundemuseum in Berlin. Doch wie Tscheljabinsk zeigte, dürfe auch diese Gefahr nicht unterschätzt werden. Genaue Vorhersagen, wann der nächste Körper dieser Größe Kurs auf die Erde nehme, seien unrealistisch. In den nächsten zehn Jahren könne ein solches Ereignis aber durchaus wieder passieren.

Bei großen Asteroiden, die auch mal zehn Kilometer Durchmesser erreichen und dann „global killer“ (globale Zerstörer) genannt werden, sei das zum Glück äußerst selten. Der Asteroid, der vor rund 65 Millionen Jahren den Dinosauriern den Garaus machte, war so einer. Alle 100 Millionen Jahre etwa trete im Durchschnitt ein solch zerstörerisches Ereignis auf.

„Die zehn Kilometer großen Asteroiden haben wir eigentlich alle im Blickfeld“, sagte Asteroidexperte Rüdiger Jehn von der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA). Für die nächsten mehreren hundert Jahre sei kein Einschlag zu erwarten. Auch von den über ein Kilometer breiten Asteroiden drohe in den kommenden etwa 100 Jahren keine Gefahr.

15. Februar 2013: der Meteorit über Tscheljabinsk

AP

15. Februar 2013: der Meteorit über Tscheljabinsk

2022 wird Asteroidenabwehr geprobt

Um das Thema weiter in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken, hat die Vollversammlung der Vereinten Nationen (UNO) 2016 den 30. Juni zum Weltasteroidentag ausgerufen. Das Datum markiert den Jahrestag des größten Asteroideneinschlags der jüngeren Geschichte: Am 30. Juni 1908 hatte ein Treffer in der Tunguska-Region in Sibirien rund 2.000 Quadratkilometer unbewohntes Gebiet verwüstet. Der Asteroid hatte nach Forscherschätzung einen Durchmesser von 30 bis 40 Metern.

Sollte ein solcher Brocken in seiner Flugbahn wieder Kurs auf die Erde nehmen, gibt es zwei Möglichkeiten: ablenken oder zerstören. Die US-Raumfahrbehörde (NASA) plant im Rahmen des Projektes „AIDA“ (Asteroid Impact and Deflection Assessment) im Oktober 2022 probehalber einen Einschlag auf den kleineren Körper des Zwillingsasteroiden Didymos, auch wenn er der Erde nicht gefährlich wird. Sie will die Umlaufbahn des rund 150 Meter breiten Didymons beeinflussen. Die ESA-Mitgliedsstaaten haben laut Jehn nicht genügend Geld für den geplanten europäischen Teil des „AIDA“-Programms aufgebracht.

„Nicht alles, was vorbeifliegt, ist gefährlich“

Etliche Asteroiden sind an der Erde vorbeigeflogen: „2014 JO25“ sei der Erde Mitte April 2017 vergleichsweise nahe gekommen, teilte die NASA mit - konnte eine Kollision mit dem 650-Meter-Asteroiden aber schon früh ausschließen. Die Entfernung betrug rund 1,8 Millionen Kilometer oder die 4,6-fache Erde-Mond-Distanz.

Die nächste Annäherung eines vergleichbaren Asteroiden ist von der NASA für 2027 vorhergesagt. „1999 AN10“ wird dann in 380.000 Kilometer Entfernung an der Erde vorbeirauschen. Genauso dicht, wie der Mond der Erde ist. Das sei zwar nah, erklärt Wünnemann, aber: „Nicht alles, was vorbeifliegt, ist gefährlich.“

Jan-Nikolas Picker, dpa

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