Wie man mit Daten Wissen erzeugt

„Daten sind Gold“: Bei der Analyse von Daten haben US-Firmen wie Amazon, Facebook und Google die Nase vorne. Das Know-Center in Graz versucht diese Lücke zu schließen. Doch es gibt Hürden, meint eine Expertin: Gesetze - sowie die österreichische Mentalität.

Die USA gelten als das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Auch in Sachen Datensammeln, -analyse und -verwertung ist hier mehr möglich als in Österreich oder Deutschland. So dürfen in den USA etwa nicht nur Facebook und Co., sondern auch Internetprovider Nutzerdaten an Dritte verkaufen - wie etwa, welche Webseiten beim Surfen aufgerufen werden. Dass man hierzulande restriktiver mit Daten umgeht, bewertet die deutsche Computerwissenschaftlerin Stefanie Lindstaedt, Leiterin des Know-Centers in Graz, ambivalent:

„Privat will ich natürlich auch nicht, dass Daten von mir für jegliche Zwecke verwendet werden. Aus beruflicher Sicht denke ich aber: Wenn man zu viel verbietet, läuft man Gefahr, nicht mitgestalten zu können und den Anschluss zu verlieren“, sagt Lindstaedt, die nicht nur in Österreich und Deutschland, sondern auch in den USA geforscht hat.

Ihr Know-Center ist eine von wenigen Firmen und Forschungseinrichtungen in Österreich, die sich seit 15 Jahren auf die Analyse und Verwertung von Daten spezialisiert hat - und davon gibt es immer mehr. Geht es nach dem Technologieunternehmen Cisco, wird sich der mobile Datenverkehr weltweit zwischen 2016 und 2021 vervierfachen.

Grund dafür ist weniger, dass viele neue Nutzer hinzukommen, sondern dass bestehende immer mehr Daten übertragen. Waren es 2016 mit Smartphones noch 1,6 Gigabyte pro Monat, werden es laut Cisco 2021 im Schnitt 6,8 GB sein.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 17.7., 13:55 Uhr.

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Know-Center

Das Know-Center GmbH – Research Center for Data-Driven Business & Big Data Analytics (Know-Center) am Campus der TU Graz ist eines der führenden Forschungszentren für Big Data in Österreich und fungiert als Ausbildungsstätte. Der Frauenanteil im Know-Center ist überdurchschnittlich hoch, rund die Hälfte der Bereichs- und Forschungsleiter/-innen sind weiblich.

Mobile Daten als Goldgrube

Auch Lindstaedt weiß, dass Mobilfunkdaten Gold sind und viele Informationen liefern können. „Wir haben hierfür ein Spin-off vom Know-Center gegründet, um aus mobilen Daten Informationen über Staus zu gewinnen, über das Verhalten der Menschen bei Großveranstaltungen und großen Einkaufszentren sowie zum idealen Ort für Werbetafeln.“

Die Information, in welcher Antenne wie viele Handys eingeloggt sind, kauft man von Mobilfunkbetreibern. „Wer hinter den Zahlen steckt, erfährt man nicht. Daraus lässt sich aber schon unglaublich viel herausrechnen.“ Für Bewegungsdaten in Supermärkten oder anderen Gebäuden greifen Forscher und Firmen wiederum auf interne Bluetooth- oder WiFi-Daten zurück.

„Heimische Supermarktketten stellen ja beispielsweise selber Bluetooth und WLAN auf, um zu beobachten, wie sich ihre Kunden bewegen.“ Wer das nicht möchte, muss die WLAN sowie Bluetooth-Funktion beim Betreten eines Supermarktes ausschalten.

Ob das rechtens ist, ist laut Experten nicht eindeutig zu beantworten und im Einzelfall zu entscheiden. Ein solcher Fall wurde bisher jedoch noch nicht ausjudiziert, heißt es.

Analyse mit Mehrwert

Die Analyse von Daten dient aber nicht nur dazu, den Verkauf von Schokolade und Nüssen durch eine bessere Produktplatzierung anzuregen. Vielmehr kann sie auch bei der Lösung von Umweltproblemen oder im Katastrophenschutz hilfreich sein, ist Lindstaedt überzeugt.

„Eine Bank aus Spanien, mit der wir zusammenarbeiten, verwendet zum Beispiel die Informationen über die Transaktionen ihrer Kunden, um festzustellen, wer von einer Umweltkatastrophe besonders betroffen ist.“ Wird in einem Dorf nach einer Überschwemmung oder einem Erdbeben etwa verhältnismäßig lange nichts gekauft oder überwiesen, deutet das darauf hin, dass noch nicht alles wieder so läuft wie vorher, so Lindstaedt. „Hier könnte man dann mehr Hilfe hinbeordern.“

Technologiegespräche Alpbach

Von 24. bis 26. August finden im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach die Technologiegespräche statt, organisiert vom Austrian Institute of Technology (AIT) und der Ö1-Wissenschaftsredaktion. Das Thema heuer lautet „Konflikt & Kooperation“. Davor erscheinen in science.ORF.at Interviews mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die bei den Technologiegesprächen vortragen oder moderieren.

In Österreich gibt es derartige „themenübergreifende“ Analysen, die über den eigenen Geschäfts- und Kundenbereich einer Firma hinausgehen, seltener, sagt Lindstaedt. Vielmehr stehen Unternehmen hier großteils noch am Anfang und beginnen, ihre Firmendaten grundsätzlich zu verstehen.

„Dabei handelt es sich um generelle Prozessanalysen. Damit kann man herausfinden, wie effektiv etwa eine Maschine ist und wann man sie voraussichtlich erneuern muss, oder auch welche Gebrauchtwagen bei den Kunden einer Automobilfirma besonders beliebt sind. Solche Analysen nimmt mittlerweile der Großteil der österreichischen Firmen in Anspruch.“

Skepsis gegenüber Algorithmen

Allgemein herrscht in den Vorstandetagen hierzulande aber nach wie vor viel Skepsis, wenn es um Künstliche Intelligenz geht, berichtet die Computerwissenschaftlerin. „Hardware steht hier immer noch höher im Kurs, nach dem Motto: Wenn ich eine neue Maschine bekomme, weiß ich, was ich habe. Bei einer Software tun sich hingegen viele Chefs schwer, den Wert einzuordnen.“

Anders in den USA, hier wird gerne mit neuen Technologien experimentiert, weiß Lindstaedt. Neue Software gelte hier immer als Chance, die Geschäftsbereiche zu erweitern.

Ruth Hutsteiner, Ö1 Wissenschaft

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