Arche Noah auf Lkws

Vielleicht ist es das größte Tierrettungsprojekt seit der Arche Noah: 6.000 große Tiere – darunter Elefanten, Büffel und Giraffen – werden gerade in Afrika mit Lkws umgesiedelt. Ihr Ziel: ein Nationalpark in Mosambik.

Der 4.000 Quadratkilometer große Zinave-Nationalpark in dem südostafrikanischen Land stand zuvor fast leer. Ein über 15 Jahre dauernder Bürgerkrieg hatte in Mosambik nicht nur rund eine Million Menschenleben gefordert, sondern auch die Tiere in dem Nationalpark fast vollständig ausgerottet.

Nun aber kommt Nachschub aus dem benachbarten Simbabwe, genauer gesagt aus dem 600 Kilometer entfernten Naturschutzgebiet Sango. Sango gibt es seit 25 Jahren, die Tiere vermehren sich darin so stark, dass jetzt 6.000 von ihnen abgegeben werden können. Ende Juni ist das moderne Arche-Noah-Projekt unter dem Namen „Re-Wild“ gestartet. Bis Mitte August sollen die ersten 2.000 Tiere übersiedeln.

Impalas, die per Hubschrauber in die Boma getrieben werden

Sango Wildlife

Impalas, die per Hubschrauber in die richtige Richtung getrieben werden

1.000 Kilometer auf Lkws unterwegs

Kein einfaches Unterfangen, denn die zunächst 50 Elefanten, 100 Giraffen, 300 Gnus und andere Tiere müssen alle erst einmal eingefangen und dann via Lkw nach Mosambik überführt werden. „Erst gestern haben wir 19 Kudus, das sind die großen Antilopen mit den Schraubenhörnern, eingefangen“, erzählt Wilfried Pabst, der Leiter des Naturschutzgebiets Sango.

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichteten auch die Ö1-Journale, 2.8., 12:00 Uhr.

„Ich saß im Hubschrauber, und wir haben die Tiere in die Boma, ein trichterförmiges Dreieck, hineingetrieben, das letztlich auf einen Lkw führt. Die Tiere fahren dann mit dem Lkw rund 1.000 Kilometer und 30 Stunden lang in den Zinave-Nationalpark“, so Pabst. Der deutsche Unternehmer befindet sich gerade im Sitzungszimmer der Anlage rund um ein Lithium-Bergwerk im nahegelegenen Städtchen Bikita, als er mit science.ORF.at telefoniert.

„Bei Elefanten geht die Übersiedlung nicht ohne Betäubung ab.“ Eine ganze Familienherde wird betäubt, Kräne hieven die mehrere Tonnen schweren Dickhäuter in Aufwachcontainer, aus denen sie in größere Übersiedlungscontainer gebracht werden und dann auf die Reise gehen. Für einen möglichst reibungslosen Ablauf sorgt ein Team aus 100 Wildhütern, Veterinärmedizinern, Ökologen, Lkw-Fahrern und Hubschrauber-Piloten.

Boma, der traditionelle Trichter zum Eintreiben und Sammeln der Tiere, an deren spitzen Ende der Lkw als einziger "Fluchtweg" steht

Sango Wildlife

Der Trichter zum Eintreiben und Sammeln der Tiere

Tiere schützen und Tourismus entwickeln

Insgesamt 200.000 Säugetiere beherbergt das 6.000 Quadratkilometer große Sango-Naturschutzgebiet, das Wilfried Pabst mit Unterstützung der Regierung Simbabwes in den 90er Jahren gegründet hat. Darunter sind auch 20.000 bis 30.000 große Tiere, wie Pabst erzählt. „Von diesen hoffen wir jedes Jahr zehn Prozent abzuschöpfen und in den Zinave-Nationalpark in Mosambik zu übersiedeln.“

Drei Millionen Euro

Die Initiative „Re-Wild“ kostet rund drei Millionen Euro und wird von der in Südafrika beheimateten Peace Park Foundation (PPF) finanziert, die mit grenzüberschreitenden Schutzzonen Frieden im südlichen Afrika fördern soll. Die PPF wird u. a. von der deutschen Regierung unterstützt, Österreich ist nach Angaben von Pabst nicht an dem Programm beteiligt.

Die Flora des Nationalparks sei trotz Bürgerkriegs in bester Ordnung. In einem ersten Schritt wurde ein riesiger Zaun um ein 15.000 Hektar großes Gebiet gebaut, in das die Tiere aus Simbabwe kommen. Die Fläche soll schrittweise erweitert werden, Zaun, Wildhüter und Management sollen dafür sorgen, dass der neue alte Nationalpark von der ansässigen Bevölkerung angenommen wird. Oberstes wirtschaftliches Ziel ist es, den unterentwickelten Tourismus in Mosambik anzukurbeln. „Wenn die Bevölkerung einen Wert der Tiere in Form von Arbeitsplätzen sieht, dann wird sie die Tiere auch schützen“, sagt Pabst.

Giraffen, die per Hubschrauber in die Boma getrieben werden

Sango Wildlife

Giraffen, die per Hubschrauber in die Boma getrieben werden

Plädoyer für „nachhaltige Jagd“

Sein „eigener“ Naturpark Sango, Teil des größeren “Savé Valley Conservancy“ im Osten Simbabwes, kann nach Angaben Pabsts wirtschaftlich nur überleben, wenn es für seine Besucher auch die Möglichkeit von Großwildjagd anbietet. „95 Prozent unserer Einnahmen kommen aus der nachhaltigen Nutzung der nachhaltigen Jagd. Wir lassen maximal 0,2 bis ein Prozent einer meist älteren männlichen Spezies jagen, von der wir zu viele haben.“ Das betrifft auch Elefanten und Leoparden. Nicht geschossen werden dürfen nur Nashörner, Geparden und Afrikanische Wildhunde.

Was viele Tierschützer auf die Palme bringt, ist für Pabst ökonomisches Kalkül – und unabdingbarer Beitrag zum Naturschutz. „Wenn wir die nachhaltige Jagd nicht nutzen würden, gäbe es so etwas Sango nicht. Die Jagd erhält im südlichen Afrika bis zu 75 Prozent der Naturschutzgebiete. Stellen wir sie ein, würden sie kaputtgehen. Alleine in Simbabwe und Mosambik würden man zwölf bis 15 Millionen Tiere vernichten – und 400.000 Arbeitsplätze.“

Pabst beruft sich bei seinem Plädoyer auf den WWF und die Internationale Union zum Schutz der Natur und der natürlichen Ressourcen (IUCN), die nachhaltige Jagd unter bestimmten Umständen befürworten.

Zebras, die aus einem Lkw in ihre neue Heimat springen

Sango Wildlife

Zebras, die aus einem Lkw in ihre neue Heimat springen

Vermehrung: Gradmesser des Erfolgs

Was ein Erfolg von „Re-Wild“ wäre? Zuerst, dass möglichst viele der Tiere den Transport unbeschadet überstehen, sagt Pabst. „Im Zinave-Nationalpark dann, dass sie sie sich gut vermehren. Jede Art hat ihre eigene Vermehrungsrate – bei Antilopen etwa sind es zwölf Prozent pro Jahr. Wenn wir diese Rate erreichen, heißt das, dass sich die Tiere wohlfühlen und auch dass die Wilderei im Griff zu halten ist.“ Die Naturschutzgebiete Afrikas befinden sich zumeist in ärmeren Gegenden, weshalb oft gewildert wird.

Die politische Lage sei sowohl in Simbabwe als auch in Mosambik angespannt, erzählt Pabst. Hohe Arbeitslosenraten und schwelende Konflikte der alten Bürgerkriegsparteien prägen den Alltag. „Re-Wild“ läuft bisher aber wie geplant. Mitte August sollen die ersten 2.000 Tiere übersiedelt worden sein. Nach einer ausführlichen Überprüfung ihres Zustands und ihrer weiteren Entwicklung sollen im kommenden Jahr die nächsten 2.000 folgen.

Nach dem Interview fuhr Pabst aus Bikita wieder zurück nach Sango, „um am Lagerfeuer vielleicht mit Familie und Freunden ein Glas Rotwein zu genießen.“ Er wollte sich beeilen und noch vor Einbruch der Nacht ankommen – denn „bei wilden Tieren kann ohne Bewaffnung in der Nacht viel passieren.“

Lukas Wieselberg, science.ORF.at

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