Auf Knopfdruck Alphamännchen

Chinesische Forscher haben im Gehirn von Mäusen einen „Chefschalter“ entdeckt: Wird die Region künstlich aktiviert, agieren selbst schüchterne Versuchstiere wie ausgewechselt - und gewinnen fast jedes Duell.

Die Hirnregion, von der die Wissenschaftler um Hailan Hu von der chinesischen Zhejiang-Universität berichten, liegt an der Stirnseite des Großhirns und trägt den Namen dmPFC (von „dorsomedialer präfrontaler Cortex“).

Dass dieser Bereich mit Sozialverhalten und Dominanz in Zusammenhang steht, wurde schon früher vermutet, nur hatte das bisher niemand im Experiment beweisen können. Das ist nun Hu und ihrem Team durch eine neue Methode, der sogenannten Optogenetik, gelungen.

Lichtsignal im Hirn

Damit ist es nämlich möglich, ausgewählte Nervennetze durch Lichtsignale gleichsam ein- und auszuschalten. Um die Wirkungen auf das Verhalten zu überprüfen, machten Hu und Kollegen den „Tube-Test“: Sie steckten zwei Männchen in eine Röhre und ließen sie zum Duell antreten. Gewinner war, wer den anderen aus der Röhre drängte (Video (c) Zhou et al., Science).

Normalerweise obsiegt bei solchen Konfrontationen immer das ranghöhere Männchen. Doch die künstliche Aktivierung des dmPFC wirkte Wunder. Selbst sozial niedrig gestellte Männchen mutierten innerhalb weniger Sekunden zur Kämpfernatur und gewannen 90 Prozent aller Duelle in der Röhre - wohlgemerkt auch bei Artgenossen, gegen die sie unter normalen Umständen keine Chance gehabt hätten. Dabei geht es nicht per se um Aggression, betont Hu. Die Aktivierung erhöhe vor allem „die Beharrlichkeit der Mäuse, ihre Motivation und ihren Mut.“

Erklärung für Gewinner-Effekt

Als die Forscher das Signal im Hirn abschalteten, fielen manche Mäuse in ihre alte Rolle zurück und reihten sich in der Rangliste wieder hinten ein. Andere jedoch blieben dominant. Wie sich später herausstellte, hatten alle Aufsteiger unter den Mäusen gleich mehrere Versuche absolviert. Sie waren also mehrfach neurologisch gedopt worden, was offenbar Spuren in ihrem Hirn hinterließ.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell am 11.8. um 13:55

Das wirft Licht auf ein Phänomen, das Humanpsychologen schon vor Jahren beschrieben haben, den sogenannten Gewinner-Effekt: Erfolg macht selbstbewusst und Selbstbewusstsein macht wiederum erfolgreich. Die Ursache wirkt auf sich selbst zurück.

Dieser sich selbstverstärkende Zyklus hat seine Wurzeln in der Verbindung zwischen dem Stirnhirn und dem Thalamus, sagt Hu. Sie schließt aus ihren Experimenten: Hierarchien sind bei Mäusen keineswegs so starr wie man annehmen könnte - und vermutlich auch beim Menschen.

Robert Czepel, science.ORF.at

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