Psychologie als mathematisches Modell

Forscher haben ein mathematisches Modell des menschlichen Bewusstseins entwickelt. Damit wollen sie normales und pathologisches Verhalten vorhersagen und analysieren. Denkbare Anwendungsgebiete wären die Robotik, künstliche Intelligenz und das Gesundheitswesen.

Hinter der Psychologie eines Menschen steckt eine Vielzahl von emotionalen und motivationalen Parametern - Wünsche, Leiden oder das Bedürfnis nach Sicherheit. Auch Ort und Zeitpunkt spielen eine wichtige Rolle, um zu erklären, wie wir unsere Entscheidungen und Pläne fassen.

Die Studie

„A mathematical model of embodied consciousness“, Journal of Theoretical Biology, 7.9.2017

Wissenschaftler der Universität Genf haben nun mit Kollegen aus den USA, Frankreich und Großbritannien ein mathematisches Modell des verkörperten Bewusstseins entwickelt. Das Team um David Rudrauf wollte eine Psychologietheorie entwickeln, die nach dem Vorbild von Modellen aus den exakten Wissenschaften funktioniert. Dazu waren mehr als zehn Jahre Forschung mit einer Kombination aus Mathematik, Psychologie, Neuwissenschaften, Philosophie, Informatik und Ingenieurwissenschaften nötig.

„Modell des Projektiven Bewusstseins“

Bei jeder Entscheidungsfindung prallen eine Vielzahl bewusster und unbewusster Parameter aufeinander. „Wir haben ein Modell entwickelt, das eine Entscheidung auf Grundlage des Moments, des Rahmens und der realen und imaginären Wahrnehmung reproduziert“, sagt Rudrauf in eienr Aussendung.

Dieses „Modell des Projektiven Bewusstseins“ erlaube die Analyse möglicher Verhaltensweisen in Reaktion auf Ereignisse. „Die Wahrnehmung, Fantasie und das Handeln stützen sich auf unbewusste Mechanismen, und wir haben entdeckt, dass das Bewusstsein sie mit einer speziellen Geometrie integriert, nämlich projektiver Geometrie“, erklärt Koautor Daniel Bennequin von der Universität Paris 7.

Zunächst modellierten die Forschenden grundlegende Zusammenhänge zwischen Wahrnehmung und Vorstellung. Unter anderem stützten sie sich dabei auf grundlegende Phänomene - etwa dass eigentlich parallele Bahngleise in der Ferne zusammenzulaufen scheinen. Als nächstes fügten sie den Einfluss von Emotionen und Motivationen, aber auch von Erinnerungen und Absichten hinzu.

Nachdem sie die Komponenten theoretisch definiert hatten, fügten die Forscher sie in Computerprogramme ein. Sie arbeiten zudem daran, das Modell mit virtueller Realität zu koppeln, um möglichst ähnliche räumliche, zeitliche und affektive Rahmenbedingungen zu schaffen wie die, innerhalb derer unser Bewusstsein funktioniert.

Vorhersage von Verhalten

Mithilfe des Modells können die Wissenschaftler Vorhersagen über menschliches Verhalten treffen, wobei sie an den Parametern schrauben, um die Simulation dem menschlichen Bewusstsein immer ähnlicher zu machen - ein langwieriger Prozess.

Ziel sei auch, Modelle psychischer Krankheiten zu entwickeln, sagte Rudrauf. „Zum Beispiel haben wir entdeckt, dass wenn wir die Komponente Fantasie entfernen, sich das Modell ähnlich zu einer Person mit Autismus verhält.“ Das gebe Hinweise auf die Bedeutung der Fantasie und der damit verknüpften Mechanismen für diese Krankheit und ihre Behandlung.

Inzwischen arbeiten die Forscher daran, ihre Simulation weiterzuentwickeln. Maschinen sollen dadurch einfühlsamer werden. Anwendungen wären in den Bereichen Robotik, künstliche Intelligenz oder auch im Gesundheitswesen denkbar.

science.ORF.at/APA/sda

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