Jugendfreundschaften machen stark

Eine Langzeitstudie zeigt: Wer in der Jugend eine Handvoll beste Freunde hat, mit denen man alles teilen kann, ist als Erwachsener emotional stabiler. Tausende Follower auf Instagram können später wiederum soziale Ängste verursachen.

Hermine Granger, Harry Potter und Ron Weasley - es gibt in der „Harry Potter“-Reihe keinen Buchband, in dem sich die drei Jungzauberer nicht im Gemeinschaftsraum am Kamin Geheimnisse anvertrauen, Sorgen teilen, sich bei großen Bedrohungen durch dunkle Mächte unterstützen und gemeinsam beim Quidditch freuen. Auch Mark Twains Tom Sawyer und Huckleberry Finn und Thomas Brezinas Knickerbockerbande - also Axel, Lilo, Dominik und Poppi - gehen über Hunderte Seiten hinweg durch dick und dünn. Wer im Alter von 15 Jahren derart enge Freundschaften selbst erlebt, anstatt nur davon zu lesen, ist mit 25 mental stabiler. Zu diesem Ergebnis kamen US-Forscher rund um die Psychologin Rachel K. Narr von der Virginia-Universität.

Qualität vor Quantität

„Entscheidend ist die Qualität der Freundschaft“, erklärt Narr. Zehn Jahre lang begleiteten die Forscherin und ihre Kollegen insgesamt 169 Jugendliche von dem Zeitpunkt an, als diese 15 Jahre alt waren. Jährlich wurden die heute 25-Jährigen nach ihren Freundschaften befragt: Wer sind aktuell deine besten Freunde oder wodurch zeichnen sich die Freundschaften aus? „Zudem haben wir in den Gesprächen eruiert, ob und wie sehr die Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen Ängste, Selbstwert oder das Gefühl von sozialer Akzeptanz entwickelt haben und ob sie Symptome für Depression zeigten“, schreibt Narr. Auch die Freunde bzw. das nähere Umfeld mussten den Forschern jedes Jahr Fragen beantworten.

Dabei zeigte sich: Diejenigen, die in der Pubertät beste Freunde hatten, entwickelten über die Jahre einen größeren Selbstwert und hatten weniger Angst, von anderen bewertet zu werden. Jene wiederum, die in der Schule zwar sehr beliebt waren, ohne aber tiefe Freundschaften zu knüpfen, hatten im späteren Leben mit sozialen Ängsten zu kämpfen. Dieser Langzeiteffekt war unabhängig von dem zu beobachten, was die Jugendlichen in den Jahren sonst noch erlebten, heißt es in der Studie.

Ich bin o. k., so wie ich bin

„Positive Erfahrungen mit Freunden helfen einem dabei, positive Gefühle zur eigenen Person zu entwickeln - vor allem in einer Zeit, in der man sich auf die Suche nach der eigenen Identität begibt.“ Man lernt also, dass man vollkommen in Ordnung ist, so wie man ist. „Man kann zudem darauf vertrauen, dass man auch in der Zukunft unterstützt wird“, fügt Narr hinzu.

Natürlich gab es unter den Jugendlichen einige Charaktere, die sowohl von einer Vielzahl von Mitschülern bewundert wurden als auch zeitgleich sehr enge Freundschaften pflegten - mehrheitlich erlebten die Jungen aber nur eine der beiden Varianten. „Unsere Studie zeigt, dass es eine der wichtigsten sozialen Erfahrungen im Teenageralter ist, wenn man es schafft, enge Freundschaften zu schließen“, ergänzt Joseph Allen, Koautor der Studie. „Von einer großen Gruppe gemocht zu werden, kann das nicht ersetzen.“

Das trifft auch auf Facebook, Instagram und Co. zu, in denen sich leicht riesige Soziale Netzwerke digital aufbauen lassen. „Das sind oberflächliche Beziehungen, von denen man langfristig nicht profitieren kann. Es ist daher absolut wichtig, dass man seine Energie darauf verwendet, enge Beziehungen mit einigen wenigen Individuen aufzubauen“, so Allen.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

Mehr zu diesem Thema: