Frauen am Dach der Welt

Sport war für die Identitätsbildung Österreichs ungemein wichtig: Darüber sind sich Historiker einig. Zu wenig gewürdigt wurde dabei bisher die Rolle der Frauen - etwa von Bergsteigerinnen. Wie sie das „Dach der Welt“ eroberten, war Thema einer Tagung in Wien.

Mitveranstalterin war das „Haus der Geschichte“ (HGÖ), das im November 2018 eröffnen soll. Die Rolle von Geschlecht in der österreichischen Sportgeschichte soll dort künftig thematisiert und diskutiert werden, erklärt die Direktorin des Museums, Monika Sommer. „Wir sehen, dass es hier in der Sportgeschichte eine Lücke gibt“, so Sommer gegenüber science.ORF.at.

Erste Frauenexpedition 1994

Ein bei der Tagung in Wien zitiertes Beispiel betrifft das Extrembergsteigen: Lange Zeit war es Männern vorbehalten. Erst 1994 brachen die ersten Österreicherinnen zu einer Expedition in den Himalaya auf. Das brachte ihnen Anerkennung, aber auch Skepsis und Spott in den Medien ein.

Veranstaltungshinweis

Am 18. und 19.9. fand das Symposium „Images des Sports in Österreich“ im „Haus des Sports“ in Wien statt. Martina Gugglberger war eine der Vortragenden. Die Veranstaltung wurde organisiert vom „Haus der Geschichte“ sowie der Universität Wien.

Die Wiener Journalistin und Bergsteigerin Gertrude Reinisch-Indrich leitete damals die erste Frauenexpedition auf den Shisha Pangma - einer jener 14 Berge, deren Gipfel über 8.000 Meter hoch ist. Das Motto: „A woman´s place is on the top.“

„Das Motto geht auf eine US-amerikanische Frauenexpedition in den 1970er Jahren zurück, die damals bereits auf das Thema aufmerksam machen wollte“, erzählt die Historikerin Martina Gugglberger von der Johannes Kepler Universität Linz. Sie hat die Berichterstattung anlässlich der historischen Österreich-Frauenexpedition untersucht und das Image der Frauen im Bergsteigsport international verglichen.

Miglieder der ersten österreichischen Frauenexpedition im Himalaya

Gertrude Reinisch

Das Team der ersten österreichischen Frauenexpedition

Sensation und Skepsis

Zwar wurden die Bergsteigerinnen für ihre Himalaya-Expedition durchaus von einigen Seiten unterstützt - so sprach sich der ehemalige Wiener Bürgermeister Helmut Zilk etwa als Patron für die Expedition aus, und in den Medien bahnte sich eine „Sensation“ an. Gleichzeitig aber nahm man sie nicht ganz ernst und bezweifelte, dass Frauen körperlich für so eine Expedition geeignet waren, analysiert die Historikerin.

„Das kommt oftmals in abwertenden Ausdrücken zu Tage. So hat man die Frauen in den Medien beispielsweise als ‚Himalaya-Girls‘ genannt - oder ‚Bergamazonen‘, und damit wiederum unterstellt, nicht nur einen Berg besteigen, sondern den Männern und der Gesellschaft etwas beweisen zu wollen.“ Frau versuchte folglich kleinlauter aufzutreten und klarzustellen, dass man niemanden etwas beweisen wollte, erklärt Gugglberger. „Man hat auch die Provokation des Mottos ‚A woman´s place in on the top‘ wieder etwas in den Hintergrund gerückt.“

Auch die Berichterstattung nach der erfolgreichen Mission ist mit jenen von Männerexpeditionen nicht zu vergleichen. So wurden vor allem die Konflikte im Team stark in den Vordergrund gespielt. Daran war auch der ORF nicht ganz unbeteiligt: In der Doku „Land der Berge“ aus dem Jahr 1994 trat die sportliche Leistung der Frauen ebenfalls in den Hintergrund. „Medial wurde hier von einem Zickenkrieg berichtet, was im krassen Gegensatz zum idealtypischen, alpinistischen Kameradschaftsmodell steht - dem aber auch Männer nicht immer entsprachen, wie diverse Gerichtsstreitigkeiten zeigen.“

Gerlinde Kaltenbrunner 2007 am K2

APA - R. Dujmovits

Gerlinde Kaltenbrunner 2007 auf dem K2

In Großbritannien hatten es Frauen leichter

Dass in Österreich Frauen vergleichsweise spät in den Hochalpinismus einstiegen, war der Organisation des österreichischen Bergsteigsports geschuldet. „Der Österreichische Alpenverein war hierzulande gemischt organisiert. In Großbritannien waren die Vereine wiederum nach Geschlechtern getrennt, wodurch Frauen sich besser organisieren konnten und mehr gefördert wurden.“

Die erste große Frauenexpedition startete in den 1950er Jahren von Schottland aus. „In Österreich kommt hinzu, dass man Frauenexpeditionen lange nicht fördern wollte.“ Akten aus den 1960er Jahren zeigen, dass Expeditionen abgelehnt wurden, wenn eine Frau mitgehen wollte. „Als Grund wurde angeführt, dass man es nicht verantworten könne, dass die Frau Mutter von drei Kindern sei - bei Männern war dies freilich nie ein Ausschlusskriterium.“

Ö1-Sendungshinweis

Diesem Thema widmet sich auch ein Beitrag in „Wissen aktuell“ am 19.9. um 13:55.

Anerkennung gab es von den männlichen Kollegen für Bergsteigerinnen über die Jahrzehnte kaum. Im Gegenteil: So galten schwierige Routen, die von Frauen bestiegen wurden, als unattraktiv. „Im Englischen gibt es dafür den Ausdruck ‚An easy day for a lady‘. Demnach ist ein Gipfel also nicht mehr schwer.“

Auf diese Weise verlor etwa der Gipfel Aiguille du Grépon im Montblanc-Massiv bereits 1929 seinen Reiz. So schrieb der französische Alpinist und Schriftsteller Etienne Bruhl: „Den Grépon gibt es nicht mehr, natürlich sind noch einige Felsen dort, aber als Klettertour existiert er nicht mehr. Nun, da er von zwei Frauen allein begangen wurde, kann kein Mann mit Selbstachtung ihn noch besteigen.“

Heute hat sich die Situation verändert, dennoch gibt es immer noch Vorbehalte gegenüber Bergführerinnen und Hochalpinistinnen. Und noch immer sind sie in diesen Verbänden klar in der Unterzahl, sagt die Forscherin, weist jedoch darauf hin: „Österreich hat nur eine Person, die alle 14 Achttausender bestiegen hat. Und das ist eine Frau - Gerlinde Kaltenbrunner.“

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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