Zucker macht Rizin zum tödlichen Gift

Wiener Forscher haben herausgefunden, warum das Pflanzengift Rizin so gefährlich ist - und wie man sich davor schützen könnte: Eine Schlüsselrolle spielen offenbar Zuckermoleküle.

Rizin wird aus der Samenschale der Pflanze Ricinus communis gewonnen, die laut IMBA in so manchen Vorgärten und Parkanlagen wächst. Einmal in den menschlichen Organismus gelangt, entfaltet es seine toxische Wirkung.

In den Zellen werden die Proteinfabriken zerstört, die sogenannten Ribosomen. Bereits winzige Dosen Rizin können innerhalb von 36 bis 72 Stunden tödlich sein. Seit Jahrzehnten sind Wissenschaftler auf der Suche nach einem Gegengift zu diesem Stoff, der in der Vergangenheit etwa bei Attentaten als Biowaffe eingesetzt wurde.

Eintrittspforte des Gifts blockieren

Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist nun Forschern vom Wiener Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) gelungen. Wie sie herausfanden, liegt der Schlüssel bei Rizin im Zucker. Sie identifizierten die zwei Gene Fut9 und Slc35c1, die für die tödliche Wirkung von Rizin verantwortlich sind, indem sie dem Gift Zugang zum Transportsystem der Zelle gewähren. So gelangt es zu den Ribosomen, die es schließlich zerstört.

Studie

„A vital sugar code for ricin toxicity“, Cell Research (19.9.2017).

Fut9 und Slc35c1 regulieren einen besonderen Zuckerstoffwechsel in der Zelle. Der essenzielle Einfachzucker Fucose wird an Proteine gebunden und kann so im Nachhinein deren Form und Funktion verändern. Da Fucose auch an die Proteine der Zellwand bindet, hat sie auch eine wichtige Rolle für Kommunikation und Transport zwischen Zellen und deren Umgebung.

„Ein Blockieren der Gene - zum Beispiel durch ein künstlich hergestelltes Molekül - bringt den Transport von Rizin in den Zellen durcheinander und es gelangt erst gar nicht an die Orte, wo es so großen Schaden anrichten kann. Denn dafür braucht das Gift eine charakteristische Zucker-Signatur an der Zellwand, an die es binden kann,“ erläuterte Jasmin Taubenschmid, Doktorandin am IMBA.

Gendefekt als Modell für Medikament

Die Forschung brachte auch neue Erkenntnisse über die Liaison von Proteinen und Zucker, die für eine Vielzahl von fundamentalen biologischen Prozessen eine Rolle spielt. „Bisher hat man Proteine und Zucker separat erforscht. Tatsächlich ist vor allem deren Interaktion spannend und liefert uns eine zusätzliche Ebene an Informationen“, betonte der Proteinforscher Johannes Stadlmann.

Die Universitätskliniken Münster und Heidelberg stellten dem IMBA Zellproben eines Patienten zur Verfügung, bei dem aufgrund eines sehr seltenen Gendefekts der Fucose-Stoffwechsel nicht funktioniert. Er wäre womöglich immun gegen Rizin, ohne diesen Zucker ist die Biowaffe nämlich nicht giftig. „Die Erforschung seltener Erkrankungen führt oft zu erstaunlichen Erkenntnissen, die einem großen Kreis an Menschen nützen kann“, sagte Josef Penninger, Wissenschaftlicher Direktor des IMBA. In dem Fall habe dies wesentlich dazu beigetragen, die Idee einer präventiven Therapie gegen Rizin-Vergiftungen entstehen zu lassen.

science.ORF.at/APA

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