Sprechen Sie Recht?

Geht es nach der neu gegründeten Österreichischen Gesellschaft für Rechtslinguistik verstehen nur wenige, was in Gesetzestexten geschrieben steht. Mit einer grundlegenden Wort- und Sprachanalyse will sie nun die Rechtssprache zugänglich und verständlicher machen.

Ein Grund für das schlechte Verständnis der Rechtssprache sei, dass die Gesetze meist sehr vage formuliert sind, sagt Daniel Leisser. Um sich dieses Problem genauer anzusehen, hat der Sprachwissenschaftler nun zusammen mit Kollegen die Österreichische Gesellschaft für Rechtslinguistik gegründet. Als Beispiel nennt Leisser das Strafrecht und zitiert den Paragraphen zur „Schweren Körperverletzung“. Dabei droht eine höhere Strafe, wenn eine Person einer anderen eine „an sich schwere Verletzung oder Gesundheitsschädigung zufügt.“ Was das genau heißt, erklärt das Gesetz nicht.

Veranstaltungshinweis

Die Österreichische Gesellschaft für Rechtslinguistik feiert am 30.9. an der Universität Wien ihre Gründung. Dabei handelt es sich um einen gemeinnützigen „Forschungs“-Verein.

„Banal gesprochen, stellt sich die Frage, wie viel Beeinträchtigung denn vorhanden sein muss, damit die Körperverletzung als sehr schwer klassifiziert werden kann. Gerade in Grenzfällen ist es schwer, wenn man etwa an ausgeschlagene Zähne und dergleichen denkt.“ Hierzulande liegt das im Ermessen des Richters, der Richterin.

Vagheit auf Kosten von Rechtssicherheit

Die Vagheit der Gesetze hat zwar durchaus ihren Sinn, denn dadurch muss der Gesetzgeber nicht alle möglichen Fälle mitbedenken - wobei man unter Umständen einen übersehen könnte. Anderseits mindert das die Rechtssicherheit, warnt Leisser. „Mit einer hohen Strafe greift man gravierend in das Leben eines Menschen ein. Deshalb ist es unbedingt notwendig, dass einem im Vorhinein klar ist, was strafbar ist und was nicht.“

Ö1-Sendungshinweis

Diesem Thema widmet sich auch ein beitrag in „Wissen aktuell“ am 29.9. um 13:55.

Dass es auch anders geht, zeigt das deutsche Strafgesetzbuch. „Hier wird genau ausgeführt, dass jemand schwer am Köper verletzt ist, wenn er oder sie dadurch die Sinne, wie Sehen oder Hören, die Fortpflanzungsfähigkeit oder das Sprechvermögen verliert.“ Weitere Kriterien sind, ob eine Behinderung auftritt oder ein Körperteil nicht mehr vorhanden bzw. unbrauchbar ist. „Das sind ganz klare Indizien, wo der Richter, die Richterin klar entscheiden kann, entspricht eine Situation dem Tatbestand oder nicht.“

Neue Grundlagenforschung

Zurück in Österreich: Wie sehr sich das Verständnis der Bürger von den Interpretationen der Gerichte hierzulande unterscheidet, soll künftig mitunter in dem neu gegründeten Forschungsverein von Rechtswissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftlern untersucht werden, so Leisser. „Recht ist uns ausschließlich als Sprache zugänglich. Deshalb ist es uns wichtig, dass wir diese im Rahmen einer Grundlagenforschung analysieren.“ Bisher gibt es dazu in Österreich noch kaum Forschung.

Mit den Analysen wollen die insgesamt 13 Rechts- bzw. Sprachwissenschaftler auch eine Entscheidungshilfe für Richter geben und Gesetzgeber darauf hinweisen, wie man die Rechte und Pflichten der Bürger vielleicht verständlicher machen könnte.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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