Forscher fordert Wortlimit für Kollegen

„Publish or perish“: Der Druck in der Wissenschaft zu veröffentlichen wird immer stärker. Ein US-Forscher macht nun einen spektakulären Gegenvorschlag: eine Obergrenze für lebenslang publizierte Worte.

„Der Grund für Autorenschaft hat sich verändert“, meint der Wissenschaftsforscher Brian Martinson von der University of Illinois „Ihr vorrangiges Ziel war es früher, Wissen zu verbreiten. Nun ist es, eine Publikation zu bekommen. Autorenschaft ist zu einer wertvollen Ware geworden“, schreibt er in der aktuellen Ausgabe von “Nature”.

Wie mit allen wertvollen Waren würde auch mit dieser gehandelt, sie wird gekauft, verkauft – und gestohlen. Mittlerweile gibt es - speziell in den naturwissenschaftlichen und medizinischen Disziplinen - eine riesige Industrie an Fachzeitschriften, deren Geschäftsmodell auf der Notwendigkeit besteht, Ergebnisse zu veröffentlichen.

Weniger, dafür wichtigere Texte

„Dass die Autorenschaft zu einer Ware geworden ist, hat Schlampereien gefördert, die Forschung verschlechtert und eine offensichtliches Motiv für Plagiate geliefert.“ Damit Autoren und Autorinnen wieder vorrangig zu Wissensvermittlern werden, greift Martinson eine Idee des australischen Schriftstellers Michael McGirr auf: Dieser hatte vorgeschlagen, dass jeder Mensch Zeit seines Lebens nur eine begrenzte Anzahl an Worten von sich geben sollte.

Auf Wissenschaftler umgemünzt erhofft sich Martinson nun eine Beschränkung auf das Wesentliche: weniger, dafür wichtigere Texte, weniger Stress bei den Peer Reviewern, die diese Texte lesen und bewerten müssen, weniger Einfluss von Impact-Faktoren bei der Bewertung von Leistungen und insgesamt eine höhere Qualität der Wissenschaft.

Raus aus dem Hamsterrad

Martinson zählt aber auch die Schwächen seiner Idee auf: Sollten es sich Forscherinnen und Forscher tatsächlich dreimal überlegen, bevor sie etwas publizieren, könnte das dazu führen, dass sie nur noch über positive Ergebnisse berichten. Verweise auf Vorbehalte oder frühere Arbeiten könnten verknappt, manche „wortreichere“ Fächer benachteiligt werden. Für letztere wäre die Einführung eines „Wortbonus“ zu überlegen, so Martinson.

Bei seinem Vorschlag handelt es sich natürlich um ein Gedankenexperiment, das die Vergangenheit vielleicht zu rosig sieht, wie er selbst eingesteht. Es lohnt sich aber, diesem Gedankenexperiment angesichts des „Publikations-Hamsterrads“, das sich immer schneller dreht, nachzugehen.

Konkrete Vorschläge, wie viele Worte den Forschern und Forscherinnen zustehen, macht Martinson übrigens keine. Sein Vorbild Michael McGirr sprach von knapp fünf Millionen, deutlich weniger als im Schnitt heute gesprochen werden – und schlug vor, einen „Wortzähler“ bei allen Menschen einzubauen.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at

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