Was Dunkle Materie mit Dinosauriern zu tun hat

Sie ist ein Superstar der Physik und hat ein Faible für unkonventionelle Theorien: Lisa Randall erklärt in einem Interview, was sie von Donald Trump hält - und was die Dunkle Materie mit dem Aussterben der Dinos zu tun hat.

science.ORF.at: Frau Randall, wie beurteilen sie die politische Lage unter Präsident Trump?

Lisa Randall: Wie lange haben wir für das Interview Zeit?

Beschränken wir uns auf die Wissenschaft in Ihrem Land.

Randall: Wenn das Budget beschlossen ist, werden wir wissen, was wirklich Sache ist. Die Lage bei uns ist so: Man wacht in der Früh auf und muss wieder eine furchtbare Schlagzeile lesen. Alle sind abgelenkt und das hemmt letztlich unsere Produktivität. Für die Umweltwissenschaft ist Trump ein Desaster. Für die Umwelt ist er ebenfalls ein Desaster. Stellen Sie sich vor, Ihr Haus wird durch einen Hurrikan zerstört und Sie sagen sich danach: Ok, ignorieren wir das Problem. Niemand würde so mit seinem Eigentum umgehen. Aber als Nation tun wir genau das. Das ist deprimierend.

Zur Person

Lisa Randall wurde als erste Frau auf den Lehrstuhl für theoretische Physik an der Princeton University berufen. Zurzeit forscht sie an der Harvard University auf dem Gebiet der Teilchenphysik, Stringtheorie und Kosmologie.

Randall gehört in ihrem Metier zu den am häufigsten zitierten Forscher/innen und hat auch einige populäre Bücher verfasst. Jüngst: „Dark Matter and the Dinosaurs: The Astounding Interconnectedness of the Universe“.

Ist die wissenschaftliche Vernunft in Gefahr?

Randall: Ach, vergessen sie die wissenschaftliche Vernunft, die ist schon länger in Gefahr. Als Trump zum Präsidenten gewählt wurde, waren die Menschen nicht rational. Sie waren emotional, im Guten wie im Schlechten. Gestern sagte jemand nach meinem Vortrag an der Universität Wien zu mir: Demokratie ist ein großartiges System, sie stellt sicher, dass die Menschen das bekommen, was sie verdienen. Ich könnte noch viel mehr dazu sagen, aber ich höre besser auf.

Sie haben die Pläne der NASA, ein bemanntes Raumschiff zum Mars zu schicken, kritisiert. Warum?

Randall: Es kommt darauf an, welche Ziele so eine Mission haben soll. Wenn das Ziel lautet, die Menschheit zu retten und den Mars zu kolonisieren, dann finde ich, dass wir uns besser um unseren Planeten kümmern sollten. Wir sind für die Bedingungen auf der Erde geschaffen, ein Leben auf dem Mars wäre völlig anders. Und wohl nicht so angenehm. Wenn Sie schon einmal einen misslungenen Campingurlaub erlebt haben, dann wissen Sie was ich meine. Die Erde ist doch ein richtig netter Planet. Wir haben ihn bisher zu wenig geschützt. Als wissenschaftliches Untersuchungsobjekt ist der Mars natürlich hochinteressant. Doch dafür muss man nicht unbedingt Menschen hinschicken.

Lisa Randall, theroretische Physikerin der Harvard University

Czepel/ORF

Lisa Randall hielt am 23.10. einen Vortrag an der Uni Wien: „The Nature of Dark Matter“

Sie beschäftigen sich in Ihrer Forschung mit Raum und Zeit: Ist die Wirklichkeit ganz anders, als sie scheint?

Randall: Eine endgültige Antwort auf diese Frage werden wir wohl nie bekommen. Unsere Messungen sind begrenzt, wir können immer nur einen Ausschnitt dieser Welt sehen. Ich bin im Rahmen meiner Arbeit schon zufrieden, wenn ich die Dinge ein bisschen besser verstehe als es vorher möglich war. Wie ist die Raumzeit aufgebaut? Woraus besteht die unsichtbare Materie im Universum? Das sind Fragen, für die ich mich interessiere. Es geht darum, Probleme in kleinen Schritten zu lösen - so bekommt man zumindest eine Ahnung davon, was hinter all dem steht.

Sie haben mit ihrem Kollegen Raman Sundrum ein Modell des Universums entworfen, in dem es neben Raum und Zeit noch eine unsichtbare fünfte Dimension gibt. Wozu brauchen wir diese Dimension? Und: Wo ist sie?

Randall: Natürlich können wir uns nicht aussuchen, was wir brauchen. Aus theoretischer Sicht würde so eine zusätzliche Dimension jedenfalls einige Probleme der Teilchenphysik lösen. Zum Beispiel: Warum hat das Higgs-Teilchen die Masse, die es hat? Ob es eine oder weitere Dimension gibt, muss das Experiment entscheiden. So ein Test ist mit dem LHC (der große Teilchenbeschleuniger des CERN, Anm.) auch möglich. Allerdings hat man bisher noch keine Hinweise auf Extra-Dimensionen gefunden.

Warum könnte eine zusätzliche Dimension die Masse des Higgs-Teilchens erklären?

Randall: Das Problem ist: Das Higgs-Teilchen sollte nach herkömmlichen Theorien Billiarden Mal schwerer sein als es tatsächlich ist. Unsere Idee war: Wenn der Raum noch eine winzige, aufgewickelte Dimension besitzt - wir nennen sie „Bran“, abgeleitet von Membran, dann gäbe es die Möglichkeit, dass die Gravitation in dieser Bran viel stärker wirkt als in den restlichen Dimensionen. In diesem Fall ergibt sich die niedrige Higgs-Masse völlig natürlich.

Angenommen, der Beweis gelingt noch: Wie würde der aussehen?

Randall: Die zusätzliche Dimension können wir nicht sehen. Aber der LHC könnte sie indirekt nachweisen - durch sogenannte Kaluza–Klein-Teilchen. Das sind schwere Teilchen, sie begleiten das Graviton, das Austauschteilchen der Schwerkraft, wenn es zwischen den Dimensionen reist. Danach suchen wir.

Klingt ein bisschen nach Science Fiction.

Randall: Ich finde, es ist viel interessanter als Science Fiction. Denn es könnte wahr sein.

Buchcover: Dark Matter and the Dinosaurs: The Astounding Interconnectedness of the Universe

HarperCollins

Sie sind auch der Auffassung, dass es zwischen Dunkler Materie und dem Aussterben der Dinos einen Zusammenhang gibt. Was hat es damit auf sich?

Randall: Sagen wir so: Es gibt die Möglichkeit eines Zusammenhanges. Ich möchte die Idee nicht überstrapazieren. Aber sie gab mir die Möglichkeit, ein Buch über faszinierende Verbindungslinien der Kosmologie zu schreiben. Lassen Sie mich vorausschicken: Die Dunkle Materie ist unsichtbar. Es gibt davon fünf Mal so viel wie normale Materie im Universum. Die normale Materie kann elektromagnetische Strahlung abgeben, dadurch verliert sie Energie, wird kühler und ordnet sich in Scheiben an, so wie unsere Milchstraße.

Das kann die Dunkle Materie nach der üblichen Auffassung nicht. Unsere Idee war: Was ist, wenn auch ein Teil der Dunklen Materie strahlt? Nicht so, wie wir das kennen, sondern auf ihre Art. Vielleicht hat auch die Dunkle Materie ihre Ladung? Wenn das so ist, dann würde sich auch die Dunkle Materie abkühlen und in unserer Galaxie eine sehr dünne und sehr dichte Scheibe bilden.

Und die Dinosaurier?

Randall: Die kommen jetzt ins Spiel. Im Sonnensystem gibt es neben den Planeten auch Asteroiden und Kometen. Die sogenannten langperiodischen Kometen - solche, die uns in Perioden von mehr als 200 Jahren näher kommen, stammen aus der Oort’schen Wolke. Wegen der großen Entfernung von der Sonne ist die Schwerkraft dort nur sehr gering ausgeprägt. Das heißt, es genügt ein schwacher Kick, um ein Objekt aus dem Sonnensystem zu befördern - oder in Richtung Erde.

Die wirklich großen Einschlagkrater auf der Erde scheinen alle 35 Millionen Jahre entstanden zu sein. Eine mögliche Erklärung wäre: Diese Perioden entstehen deswegen, weil unser Sonnensystem bei ihrer Umrundung der Milchstraße die galaktische Mittelebene durchkreuzt. Wenn es dort Dunkle Materie gibt, könnte das Objekte aus der Oort’schen Wolke stoßen. Wir wissen: Vor 66 Millionen Jahren hat die Erde einen Volltreffer abbekommen.

Wie kam diese Hypothese bei ihren Fachkollegen an? Bedenkenswert oder zu verrückt?

Randall: Anzunehmen, dass auch die Dunkle Materie strahlen kann, ist nicht verrückt. Die Astronomen haben zwar gesagt: Eine solche Scheibe Dunkler Materie ist unmöglich. Doch das stimmt nicht. Wir Teilchenphysiker behaupten nicht, dass es sie gibt. Wir sagen: Lasst uns eine saubere Analyse machen und herausfinden, ob sie da ist. Die Gaia-Sonde der ESA könnte uns eine Antwort liefern. Die Daten werden da sein, man muss sie nur analysieren.

Was die Verbindung zu den Dinos betrifft: Die Periodizität von Einschlägen auf der Erde ist schon länger bekannt. Zugegeben, die Paläontologen und Geologen waren nicht sonderlich begeistert, als wir diese Idee wieder aufgegriffen haben.

Sie hatten einen Auftritt in der TV-Serie „The Big Bang Theory“. Wie kam es dazu?

Randall: Das war nur Spaß. Ich habe ein paar Freunde, die dort arbeiten. Als ich sie einmal am Set besuchte, sagten sie: Du solltest eine Statistenrolle übernehmen. Und so war es dann. Ich war übrigens richtig gut. Meine Regieanweisung lautete: Sitz einfach da und mach dich unsichtbar.

Interview: Robert Czepel, science.ORF.at

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