Das große Krabbeln in der Wohnung

Es kreucht und fleucht im Haushalt: 100 verschiedene Spinnen- und Insektenarten haben Biologen bei einer systematischen Suche in Wohnungen nachgewiesen. Ein ökologisches Detail: Krabbeltiere lieben offenbar Teppiche.

Der Begriff „bug“ hat im Englischen gewisse Unschärfen. Im engen Sinne sind damit Käfer oder Wanzen gemeint, also (Unter-)Ordnungen innerhalb der Insekten. Im Alltag versteht man darunter alles, was klein ist und krabbelt, also auch Fliegen, Spinnen und anderes Getier mit mehr als vier Beinen.

Den „bugs“ im krabbelnden Sinne haben nun amerikanische und dänische Wissenschaftler eine Studie gewidmet. Ihr Ansatz: der Haushalt als Ökosystem.

„Wir denken gerne, wir sind in unseren Häusern von der Außenwelt geschützt, aber während wir unserem Alltag nachgehen, können sich direkt neben uns ökologische Dramen ereignen“, sagt Misha Leong von der kalifornischen Wissenschaftsakademie. „Wir beginnen erst, zu verstehen, wie das Heim, das wir uns schaffen, zugleich ein komplexer Innen-Lebensraum für Käfer und andere Lebewesen ist.“

Ordnung hat keinen Einfluss

Leong hat mit ihrem Team 50 Haushalte in der Stadt Raleigh, North Carolina, untersucht und einige Faktoren entdeckt, die die Zusammensetzung der Tiergemeinschaften beeinflussen. In die Kategorie „erwartungsgemäß“ fällt etwa die Erkenntnis, dass die Zahl der vorhandenen Kleinhaustiere mit den oberen Stockwerken ab- und der Zahl der Fenster zunimmt.

Staublaus in Großaufnahme

Matt Bertone, North Carolina State University

Staubläuse halten sich gerne unter Tapeten, in Möbeln und Pflanzentöpfen auf

Das kann auch Thomas Loose vom deutschen Bundesverband der Schädlingsbekämpfer bestätigen. Er sagte jüngst gegenüber der dpa: „Den fliegenden Insekten ist die Etage egal. Aber gerade die Fußläufigen finden wir vor allem im Erdgeschoss.“

Auch Grundriss und Einrichtung spielen eine Rolle, große Räume erweisen sich als der Artenvielfalt zuträglich, ebenso Teppiche, glatte Böden eher nicht. Wie Leong im Fachblatt „Scientific Reports“ berichtet - und das ist die gute Nachricht für alle pflichtvergessenen Naturen unter uns -, hat die Ordnung in der Wohnung kaum Einfluss auf das ökologische Gefüge. Mit Ausnahme einer Art: Zitterspinnen haben es gerne unaufgeräumt und feucht, sie sind vor allem in Kellern zu finden.

Überraschender Luxus-Effekt

Bereits vor einem Jahr hatten die Wissenschaftler einen unerwarteten Luxus-Effekt nachgewiesen. In Wohnungen aus wohlhabenden Gegenden ist nämlich die Artenvielfalt - u.a. Fruchtfliegen, Läuse, Milben und Laufkäfer - messbar größer. Das liegt vermutlich daran, dass es dort mehr Parks und Gärten gibt, von wo aus die Tiere ihre neuen Lebensräume kolonisieren.

Teppichkäfer in Großaufnahme

Matt Bertone, North Carolina State University

Teppichkäfer schätzen - nomen est omen - Teppiche

Diese Kolonisierung zeigt offenbar gewisse Ähnlichkeiten zur sogenannten Inselökologie: Sobald die Krabbeltiere in den Innenräumen angekommen sind, erobern sie das neue „Insel-Habitat“ und breiten sich Raum für Raum aus. Dort bilden sich dann nach einiger Zeit richtige Nahrungsketten aus, mit Jägern und Gejagten. So, wie man es auch aus dem Freiland kennt. 100 verschiedene Arten fanden die Forscher damals im Schnitt.

Grund zur Panik ist das alles nicht, betont Co-Autorin Michelle Trautwein. Eher im Gegenteil: „Auch wenn die Idee von unerwünschten Insekten-Mitbewohnern wenig reizvoll klingt, könnten Krabbeltiere letztlich einen Beitrag zur Gesundheit leisten“, so Trautwein. „Die Beweise verdichten sich, dass es einen Zusammenhang zwischen vielen modernen Krankheiten und einem Mangel an Kontakt mit Mikroorganismen gibt. Und Insekten sind wichtige Wirte für Mikroorgansimen, sie erhöhen ihre Vielfalt.“

Robert Czepel, science.ORF.at

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