Ungerechtigkeit als größte Bedrohung

In Umweltfragen bauen die Österreicher Ängste ab - so das Ergebnis des Risikobarometers 2017. Die größte Bedrohung ist laut dieser Befragung die soziale Ungerechtigkeit, die stetig zunimmt. Der Klimawandel wird als Risiko unterschätzt.

Vor zehn Jahren wurden die Österreicherinnen und Österreicher bereits zur ihrer Einschätzung von Umweltrisiken befragt, jetzt war es wieder so weit. Und das aktuelle Risikobarometer zeigt, dass weniger Menschen Umweltverschmutzung und Klimawandel als Bedrohung wahrnehmen als noch vor zehn Jahren.

Gesellschaftliche Spannungen

Insgesamt zehn Umweltrisiken sollten die rund 1.000 Befragten einstufen. Der Klimawandel hat es dabei nur auf den dritten Platz geschafft. Das Umweltrisiko, das die Österreicherinnen und Österreicher laut Risikobarometer am größten einschätzen, hat nicht unbedingt etwas mit Umweltproblemen zu tun. Es ist die wachsende soziale Ungerechtigkeit, die den Befragten am meisten Sorgen bereitet.

Ein Ergebnis, das der Umwelt- und Techniksoziologe Ortwin Renn, Leiter des Potsdamer Institut für Nachhaltigkeitsstudien, nachvollziehen kann. Denn überall in Europa wird die Kluft zwischen Arm und Reich größer. Zwar werden auch die Ärmeren insgesamt reicher. Aber diese Wohlstandssprünge seien viel kleiner, als jene der oberen Schichten, meint Renn. Das sorgt für gesellschaftliche Spannungen.

Umweltverschmutzung heute weniger Thema

Dass es in punkto Umweltverschmutzung eine leichte Entspannung bei den Befragten gibt, sieht der Soziologe positiv. Denn insgesamt gehen die Gefährdungen durch die Umwelt zurück. „Das heißt, die Umweltpolitik hat sehr viel Gutes geleistet in den vergangenen Jahrzehnten, aber es gibt noch einiges zu tun“, so Renn, etwa was die Luftbelastung durch Feinstaub betrifft.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch das Dimensionen Magazin am 16.11. um 14.05.

Das Leben auf unserem Planeten werde immer ungefährlicher, so der Soziologe weiter. Die Menschen leben gesünder, werden älter und haben weniger Unfälle. Trotzdem schätzen viele die Bedrohungen in ihrer Umwelt falsch ein, oft zu hoch. Kriminalität, Terrorismus oder Migration seien Dinge, vor denen sich heute viele fürchten, jedoch ohne statistische Begründung. Diese Themen sind allerdings emotional aufgeladen und das führt zu einer verzerrten Wahrnehmung. Renn bezeichnet das als „Risikoparadox“.

Klimawandel unterschätzt

Die Menschen überschätzen Risiken jedoch nicht nur, oft sind sie auch zu gelassen. Etwa wenn es um den Klimawandel geht, betont Renn. Denn viele schrecken vor den dringend notwendigen Verhaltensänderungen zurück, die Treibhausgasemissionen reduzieren würden, wie weniger mit dem Auto zu fahren, selten mit dem Flugzeug zu verreisen oder weniger Fleisch zu essen.

Hier überschätzen die Menschen ihr Engagement, ist Ortwin Renn überzeugt. Auch das Risikobarometer zeigt: Zwei Drittel der Befragten geben an, ihr Verhalten wegen aktueller Umweltrisiken langfristig oder zumindest eine Zeitlang zu ändern. „Wenn man das Licht abdreht, sobald man ein Zimmer verlässt, reicht das nicht aus, um von einer echten Verhaltensänderung zu sprechen“, sagt Renn. Nimmt man den Klimawandel ernst, muss mehr geschehen.

Vertrauen in Lebensmittel größer

Auf den hinteren Rängen des Risikobarometers finden sich Gefahren, die mit der menschlichen Gesundheit zu tun haben. Lebensmittelsicherheit, Ernährungsqualität und Epidemien bzw. Tierseuchen sind weiter hinten gelistet. Ein Ergebnis, das den Umweltsoziologen überrascht hat. Denn bei einer vergleichbaren Untersuchung in der Schweiz vor einigen Jahren wurde das Thema Lebensmittelsicherheit als größter Risikobereich klar auf Platz eins gewählt.

Solche Bedenken seien aber unangebracht, meint Ortwin Renn. „Jeden Tag essen wir und selten fällt einer tot um, diese Erfahrung sollte unsere Wahrnehmung eigentlich prägen“, so Renn. Die Medien würden etwaige Risiken oft zu sehr aufblasen, meint der Soziologe. Hier nicht in Panik zu verfallen, sei ein Zeichen wachsender Risikomündigkeit.

Wenig Vertrauen in Medien und Politik

Diesem Trend folgend, vertrauen die Befragten auch nicht in die Kompetenz aller Institutionen, die Risikothemen diskutieren. Das größte Vertrauen wird der Wissenschaft bzw. den Universitäten geschenkt, gefolgt von Interessensvertretungen, NGOs und öffentlichen Behörden. Am wenigsten Vertrauen schenken die Befragten den Medien und der Politik und zwar noch um einiges weniger als vor zehn Jahren.

Wer sich über Risiken informieren will, tut das zwar laut Risikobarometer auch über Fernsehen, Zeitungen und Radio, die Informationsquelle Nummer eins ist allerdings das Internet. Die Online-Suche hat die klassischen Medien in den vergangenen zehn Jahren überholt. Zugelegt haben in diesem Punkt auch Informations- und Dialogveranstaltungen. „Menschen nur über Risiken zu belehren reicht nicht aus, die Menschen müssen involviert sein in die Diskussion“, so Renn.

Marlene Nowotny, Ö1-Wissenschaft

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