Das Gehirn merkt sich jede Erschütterung

Viele Gehirnerschütterungen im Lauf eines Lebens schaden dem Gehirn, sagen US-Forscher bei einer Tagung in Wien. Vergleichbar sei das mit einem Sonnenbrand - je öfter man sich die Haut verbrennt, desto schädlicher ist es.

Wer auf der Piste mit dem Helm auf den Boden stürzt oder einen Ball an den Kopf geknallt bekommt, kann sich eine Gehirnerschütterung zuziehen - die leichteste Form des sogenannten Schädelhirntraumas. Dabei trifft das Gehirn durch das plötzliche Stoppen gegen den Schädelknochen und wird im Inneren leicht verletzt, erklärt David Baron von der Universität Südkalifornien.

Bemerkbar macht sich eine solche etwa durch Kopfschmerzen, Lichtempfindlichkeit und Schwindel oder auch durch Schlafstörungen und Orientierungslosigkeit, erklärt der Psychiater. „Es gibt eine Vielzahl von Symptomen, die zeigen, dass das Gehirn akut verletzt wurde.”

Sich möglichst schonen

Selbst wenn die Symptome nur leicht sind, sollte man darauf reagieren, damit sich das Gehirn so schnell wie möglich erholen kann, so der US-Mediziner. Er rät: Ruhe geben, ausreichend trinken sowie einige Tage auf Sport und andere Anstrengungen verzichten, bis die Symptome verschwinden. „Solange Kopfschmerzen, Schlafstörungen und dergleichen vorhanden sind, ist das Gehirn besonders verwundbar“, sagt Baron. Darüber hinaus sei es hilfreich, die Augen vor Sonnenlicht zu schützen und etwa eine Sonnenbrille zu tragen. Da die UV-Strahlen den Heilungsprozess sonst etwas verlangsamen würden.

Halten Symptome mehr als drei Tage oder eine Woche an, könnte es sich um eine erheblichere Beeinträchtigung handeln, erklärt der US-Mediziner. Im Zweifel sollte man zum Arzt gehen. „Wir achten vor allem darauf, wie lange Symptome anhalten. Intensive Kopfschmerzen, die gleich wieder vergehen, können unproblematischer sein, als leichte die viele Tage oder Wochen anhalten.“ In den meisten Fällen verschwinden die Symptome nach einer Woche, es gibt aber auch Fälle, wo sich eine Verletzung im Gehirn über Wochen und Monate bemerkbar macht.

Die Summe der Verletzungen

Auch wenn sich das Gehirn mit der Zeit grundsätzlich wieder von der Erschütterung erholt, zeigen Untersuchungen, dass es sie nicht vergisst. Vielmehr zählt es die Verletzungen zusammen, was zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gehirns führen kann - ähnlich wie viele Sonnenbrände das Hautkrebsrisiko erhöhen, erläutert Baron. Kommt es im Laufe eines Lebens häufig zu Gehirnerschütterungen, erhöht sich das Risiko für Demenz, Depressionen oder kognitiven Beeinträchtigungen, sagt der US-amerikanische Psychiater.

„Diese Erkenntnisse, die Forscher in den letzten Jahren über Gehirnerschütterungen gewonnen haben, haben im Sport zu einer Reihe von Veränderungen geführt.” So werden nun in den USA vor allem Jugendtrainer dafür ausgebildet, Gehirnerschütterungen zu erkennen und entsprechend zu handeln. „Das Prozedere nennt sich „Return to Play“ und gibt es nun im gesamten Profisport. Demnach muss man ein, zwei Tage Ruhe geben, dann darf man wieder mit leichten Bewegungen und etwa nach einer Woche wieder mit sportähnlichen Übungen beginnen.“ Besonders bei Kindern sei eine Gehirnerschütterung gravierend - auch hier zieht der Psychiater die Analogie zum Sonnenbrand. „Spielen Kinder in den USA Fußball, dürfen sie keine Kopfbälle spielen, bis sie 13 Jahre alt sind.“

Unterschiedlich empfindlich

Wie jüngste Untersuchungen zeigen, scheinen sich Gehirnerschütterungen aber nicht bei allen Menschen gleich auszuwirken. „In manchen Fällen haben wir bei American Football Spielern gesehen, dass sich ein schädliches Protein bildet - die sogenannten phosphorylierten Tau-Proteine.“ Diese Proteine beeinträchtigen die Kommunikation innerhalb des Gehirns und schwächen dadurch das Erinnerungs- sowie Denkvermögen und machen Menschen teilweise impulsiv. „Wir vermuten, dass manche Menschen hier genetisch bedingt ein höheres Risiko haben als andere“, so Baron.

Auch zwischen den Geschlechtern gibt es Unterschiede. Studien zufolge bekommen Frauen leichter eine Gehirnerschütterung als Männer und sie halten tendenziell auch länger an. „Wir vermuten, dass es mit den Hormonen zu tun hat. Vor allem junge Frauen scheinen zwei Wochen vor ihrer Periode anfälliger zu sein. Die Hormone könnten Frauen zu einem anderen Zeitpunkt aber wieder eher schützen - das versuchen wir gerade herauszufinden“, sagt Baron, der sich vor allem dafür einsetzt, Sport sicherer zu machen.

„Es geht nicht darum, den Menschen Angst zu machen, sondern sie aufzuklären und ihnen das richtige Verhalten beizubringen. Wir fahren ja auch Auto, obwohl es gefährlich ist - wir schnallen uns aber eben an, dasselbe gilt für Sonnencreme, um uns vor einem Sonnenbrand zu schützen.“ Verhindern lassen sich Gehirnerschütterungen freilich nicht. Begeisterten Fußballspielern, Rad- und Skifahrern rät der Mediziner aber, ihr Können richtig einzuschätzen, Zusammenpralle zu vermeiden und im Falle einer Gehirnerschütterung Ruhe zu geben.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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