Staub statt Aliens

Ein Gestirn im Sternbild Schwan flackert derart ungewöhnlich, dass Astronomen eine außerirdische Intelligenz dahinter vermutet haben. Eine neue Studie macht nun normalen Weltallstaub für das Flackern verantwortlich – komplett gelöst ist das Rätsel aber noch nicht.

Der Stern mit der Katalognummer KIC 8462852 gilt für viele als „der seltsamste Stern der Milchstraße". Er ist rund 1.400 Lichtjahre von der Erde entfernt, knapp 50 Prozent größer und massereicher als unsere Sonne und wurde mit Hilfe des Weltraumteleskops Kepler entdeckt.

Studie

”The First Post-Kepler Brightness Dips of KIC 8462852“, The Astrophysical Journal Letters, 3.1.18

Einem Team um die Astronomin Tabetha Boyajian von der Louisiana State University in Baton Rouge (USA) fiel im September 2015 ein ungewöhnliches Verhalten des Sterns auf: Seine Helligkeit schwankt in unregelmäßigen Abständen um bis zu 22 Prozent. Üblicherweise leuchten Sterne seiner Größe weitgehend gleichmäßig.

Die Lage von KIC 8462852

Tabetha Boyajian

Die Lage von KIC 8462852

Planeten oder Außerirdische?

Astronomen haben zahlreiche Erklärungsansätze für das unerwartete Verhalten von „Tabbys Stern“, wie er nach Tabetha Boyajian auch genannt wird, vorgeschlagen: So könnte er Planeten besitzen, die gelegentlich vor dem Stern vorbeiziehen und ihn dabei teilweise abdecken. Allerdings verdunkeln selbst Riesenplaneten wie der Jupiter in unserem System ihre Sterne typischerweise nur um etwa zwei Prozent.

Eine andere Möglichkeit sind große Mengen Kometentrümmer oder eine große, unregelmäßige Scheibe aus Staub, die den Stern umgeben könnte. Solcher Staub sollte sich allerdings erwärmen und so über zusätzliche Infrarotstrahlung bemerkbar machen, die bisher nicht beobachtet werden konnte. Dies ist jedoch auch schwer messbar.

Der spektakulärste Erklärungsversuch schlägt vor, dass eine technologisch fortgeschrittene Zivilisation um den Stern eine sogenannte Dyson-Sphäre gebaut hat, um ihren Energiebedarf zu decken. Der US-Theoretiker Freeman Dyson hatte in den 1960er Jahren spekuliert, solche Zivilisationen könnten eine gigantische gitterartige Schale um ihren jeweiligen Stern konstruieren, um damit möglichst viel Strahlungsenergie zu ernten. Konkrete Hinweise auf eine außerirdische Zivilisation gibt es bei „Tabbys Stern“ allerdings nicht.

Künstlerische Darstellung einer der Flackervarianten: Ein zerbrechender Planet verdunkelt KIC 8462852

NASA, JPL-Caltech

Künstlerische Darstellung einer der Flackervarianten: ein zerbrechender Planet verdunkelt KIC 8462852

1.700 Crowdfunder ermöglichten Studie

Das Rätsel um „Tabbys Stern“ ist so fesselnd, dass über 1.700 Unterstützer im Rahmen einer Crowdfunding-Kampagne mehr als 100.000 US-Dollar (etwa 83.000 Euro) gespendet haben, um weitere Beobachtungen zu ermöglichen. Zwischen März 2016 und Dezember 2017 führte ein Team von mehr als 200 Astronomen und Astronominnen diese mit Hilfe einer Reihe von Teleskopen rund um den Globus durch. Ab Mai des Vorjahrs konnten die Forscher dann tatsächlich vier außergewöhnliche Helligkeitsschwankungen des Sterns beobachten.

Die Crowdfunder durften Namen für die Flackerphänomene wählen und entschieden sich unter anderem für “Skara Brae“ – eine gut erhaltene Siedlung aus der Jungsteinzeit in Schottland. „Die Helligkeitsschwankungen von KIC 8462852 ähneln in mancherlei Hinsicht der untergegangenen Stadt in Nordschottland“, schreibt das Astronomenteam – für eine wissenschaftliche Studie ungewohnt blumig.

„Beide sind uralt, wir beobachten Dinge, die vor mehr als 1.000 Jahren geschehen sind. Sie sind fast sicher von etwas Gewöhnlichem verursacht worden, zumindest in kosmischem Ausmaß. Und das macht sie noch interessanter. Vor allem aber: Beide sind sehr mysteriös. Was zum Teufel ist vor all den Jahrhunderten geschehen?“

“Keine außerirdische Struktur“

Die vergleichsweise nüchterne Antwort, die das Team um Boyajian in ihrer Studie nun gibt: Eine künstliche „Megastruktur“ wie eine Dyson-Sphäre ist nahezu ausgeschlossen. Stattdessen deuten die Daten auf extrem feinen Staub mit typischer Korngröße von deutlich weniger als einem tausendstel Millimeter hin. Solcher Staub schluckt Licht verschiedener Farben unterschiedlich stark.

„Staub ist höchstwahrscheinlich der Grund, warum das Licht des Sterns heller und dunkler wird“, erläutert Boyajian in einer Mitteilung ihrer Universität. „Die neuen Daten zeigen, dass verschiedene Lichtfarben mit unterschiedlicher Intensität blockiert werden. Was immer zwischen uns und dem Stern vorbeizieht, ist daher nicht undurchsichtig, wie man es von einem Planeten oder einer außerirdischen Megastruktur erwarten würde.“

Ob der vermutete Staub in Form einer Scheibe oder anders angeordnet ist, wissen die Forscher nicht. Die nun vorliegenden Daten lassen ihnen zufolge auch den Schluss zu, dass der Stern von selber flackert. Das Rätsel sei deshalb insgesamt noch nicht gelöst, betonen die Autoren der Studie.

science.ORF.at/dpa

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