Klima: Aufschub für die Katastrophe

Gute Nachricht für das Weltklima: Katastrophenszenarien können britische Forscher für die nächsten Jahrzehnte ausschließen. Daraus folgt allerdings auch eine schlechte Nachricht: Die Pariser Klimaziele sind schon fast außer Griffweite.

So wie die Lichtgeschwindigkeit zum Fundament der Physik gehört, gibt es auch in der Klimaforschung eine solche Bezugsgröße, die der Theorie stabilen Grund geben soll. Sie heißt Klimasensitivität - beziehungsweise ECS im Englischen, „equilibrium climate sensitivity“.

Was bewirkt CO2-Verdopplung?

Diese Größe gibt die Antwort auf die simple Frage: Wie stark würde sich die Atmosphäre erwärmen, wenn sich der Kohlenstoffgehalt, ausgehend von der vorindustriellen Zeit, verdoppelte? Oder in Zahlen: Wie stark würde sich die Atmosphäre erwärmen, wenn der Kohlenstoffgehalt von den vordindustriellen 280 ppm (=0,028%) auf 560 ppm stiege?

Ö1-Sendungshinweis

Mit diesem Thema befasst sich auch „Wissen aktuell“, 18.1.2018, 13:55 Uhr.

Der Weltklimarat IPCC beantwortete dies in seinen letzten Sachstandberichten mit Vorsicht, denn so simpel die Frage auch scheinen mag, die Antwort ist es leider nicht. Bislang wurden 150 Berechnungsmethoden dafür vorgeschlagen, dementsprechend hoch ist die Schwankungsbreite des Möglichen. Laut IPCC liegt sie zwischen 1,5 Grad und 4,5 Grad plus. Ersteres läge noch im Bereich der beim Pariser Klimagipfel beschlossenen Ziele, letzteres wäre katastrophal für die Umwelt und die Weltbevökerung, vor allem die Bewohner des globalen Südens.

Neuer Wert: 2,8 Grad plus

Eine neue Studie im Fachblatt „Nature“ liefert nun eine deutlich präzisere Antwort. Wie ein Team um den Briten Peter Cox zeigt, besitzt das Weltklima eine Art Erinnerungsvermögen, das Pendel der natürlichen Temperaturschwankungen (also ohne Klimawandel) hängt vom Kohlenstoffgehalt in der Atmosphäre ab und schwingt durch dessen Einfluss immer länger nach.

Diesen Zusammenhang haben die Forscher von der University of Exeter nun berücksichtigt - und konnten so die Unsicherheit bisheriger Berechnungen einschränken. Ihr Fazit: Sollte sich der Kohlenstoffgehalt auf 560 ppm erhöhen, wird die Atmosphäre um 2,8 Grad wärmer, Schwankungsbreite 2,2 bis 3,4 Grad.

Sonnenaufgang hinter Steinkohlekraftwerk

APA/dpa/Julian Stratenschulte

Der CO2-Gehalt der Atmosphäre wird sich in diesem Jarhundert verdoppeln - sofern sich der Trend fortsetzt

Das ist einerseits eine gute Nachricht, weil damit die Katastrophenszenarien des IPCC aus der Prognose fallen (4,5 Grad plus haben laut Cox & Co nur eine Wahrscheinlichkeit von einem Prozent). Das ist andererseits auch eine schlechte Nachricht, weil die optimistischen Pariser Klimaziele von 1,5 bzw. zwei Grad ebenfalls unwahrscheinlich werden. Jedenfalls sofern sich nichts am gegenwärtigen CO2-Ausstoß ändert. Derzeit liegt der Kohlenstoffgehalt bei gut 400 ppm.

„Die Zeit wird knapp“

„Wenn wir so weitermachen wie bisher, erreichen wir die 560 ppm-Marke im Jahr 2050 oder spätestens in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts“, sagt Cox gegenüber science.ORF.at.

Was bedeutet das alles für die Klimapolitik? Große Veränderungen lassen sich aus dieser Studie keine ableiten, kommentieren Experten vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg gegenüber dem deutschen Science Media Center. Soll heißen: Das Ergebnis sei kein Grund für Entspannung oder gar Entwarnung, die Staatengemeinschaft müsse ihren Ankündigungen Taten folgen lassen. „Wir haben noch ein bisschen Zeit, um unter zwei Grad plus zu bleiben“, sagt Cox. „Aber die Zeit wird knapp.“

Robert Czepel, science.ORF.at

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