Jungforscher verlassen das Land

Eine Gruppe, die die laufenden Budgetverhandlungen besonders genau verfolgt, ist die Wissenschaft. Nun meldet sich ein renommierter Forscher mit einer Warnung zu Wort: Der wissenschaftliche Nachwuchs verlasse Österreich, die Folgen werde man langfristig spüren.

Riesige Kisten, Wasserbehälter und Messgeräte - am Weg zu Gerhard Herndls Büro geht man an der Ausrüstung für die nächste Forschungsreise vorbei. Sie führt nach La Réunion, eine Insel östlich von Madagaskar. Dort sei man dem Eisenstoffwechsel von Plankton auf der Spur, so der Meeresbiologe - auf einem französischen Forschungsschiff und in einem internationalen Team, erzählt er zufrieden.

Weniger zufrieden ist er mit der Situation in Österreich: „Die Dotierung der Forschung in Österreich ist im Vergleich zur Schweiz zum Beispiel oder zu Holland sehr viel geringer.“

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Über dieses Thema berichtet heute auch das Mittagsjournal, 22.1.2018, 12.00 Uhr.

Beschränkte Förderungen

Die Folge: Ein Forscher, eine Forscherin bekommt seit Kurzem maximal zwei Projekte vom FWF gefördert, dem Fonds für die wissenschaftliche Forschung. Und das Projektvolumen ist auf 400.000 Euro beschränkt. Was nach trockenen Zahlen klingt, spürt Herndl, Dekan der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien, im Alltag: „Insgesamt habe ich 15 Leute in meiner Arbeitsgruppe, vor fünf Jahren waren es noch 30. Das ist schon ordentlich geschrumpft. Und gerade der wissenschaftliche Nachwuchs leidet darunter.“

Weniger Projekte bedeuten weniger Anstellungen für Post-Docs und Dissertanten und damit weniger Möglichkeiten, wissenschaftliche Erfahrung zu sammeln. Der Nachwuchs blicke immer öfter ins Ausland, etwa in die Niederlande, wo Herndl Gastprofessor war: „Meine Kollegen in den Niederlanden werben Projekte in der Größenordnung von 20 Millionen Euro ein. Das ist ein fundamentaler Unterschied.“

„Exportland an Wissenschaftlern“

Die Niederlande haben ebenso wie die Schweiz und Deutschland eine Exzellenzinitiative mit entsprechendem Budget gestartet. Natürlich gebe es die Möglichkeit, etwa über die EU zusätzliches Geld einzuwerben, so Herndl. Er selbst hat 2,5 Millionen Euro vom Europäischen Forschungsrat bekommen, um seine Arbeit voranzutreiben. Aber die Grundlagenforschung leide, weil man mehr und mehr in die angewandte Forschung ausweichen müsse, um Geld zu lukrieren.

Forschung ohne konkrete Anwendung vor Augen sei aber die Basis für grundlegende Erkenntnisse. Mit Sorge beobachtet auch der Wissenschaftsfonds FWF die Abwanderung des wissenschaftlichen Nachwuchses: „Wir sind jetzt schon ein Exportland an Wissenschaftlern, es gehen fünfmal so viele Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in die Schweiz als wir umgekehrt in der Lage sind anzuziehen“, sagt FWF-Präsident Klement Tockner. „Das heißt, wir haben einen doppelten Verlust: Einerseits, weil diese Leute weggehen, und andererseits weil sie die Innovationskraft in den anderen Ländern stärken.“

Faßmann: Für Budgetfragen „zu früh"*

Dieser Befund wird auch durch eine Studie der Universitätenkonferenz erhärtet, die 2017 publiziert wurde. Co-Autor: Heinz Faßmann, damals noch Vizerektor der Universität Wien, heute Minister für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Auf Nachfrage sagt er, dass es noch "zu früh“ sei, um konkret über die Dotierung der österreichischen Grundlagenforschung zu sprechen. Zu der immer wieder geforderten Verdoppelung der Mittel für den Wissenschaftsfonds FWF von 200 auf 400 Millionen Euro sagt er: „Eine Verdoppelung in kurzer Zeit ist sehr, sehr optimistisch.“ Er räumt aber ein: „Wir wissen, dass wir pro Kopf sehr viel weniger für die Grundlagenforschung ausgeben als Deutschland und natürlich noch viel weniger als die Schweiz, das ein Musterland der Grundlagenforschung ist.“

Zur Kritik, dass es sich Österreich nicht leisten könne, ein Exportland für Forscherinnen und Forscher zu sein, sagt der zuständige Minister: „Grundsätzlich sehe ich es positiv, dass Wissenschaft mobil ist. Aber wir müssen uns sicherlich fragen, wie viele wieder zurückkommen, welche Möglichkeiten bieten wir.“ Eine Initiative für exzellente Forschung, wie sie die Schweiz und Deutschland mit viel Geld gestartet haben, sei für Österreich derzeit nicht geplant. Die Regel, wonach jeder Forscher, jede Forscherin maximal zwei Projekte beim Wissenschaftsfonds einreichen darf, sollte man aber hinterfragen, so Faßmann im Interview mit Ö1.

Elke Ziegler, Ö1-Wissenschaft

*Dieser Beitrag wurde mit den Reaktionen von Wissenschaftsminister Heinz Faßmann aktualisiert.

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