Wie der Mensch Tieren den Raum nimmt

Wo Menschen leben, fehlt Tieren der Freiraum. Im Schnitt bewegen sie sich dort nur halb so viel wie in der unberührten Natur, oder noch weniger, wie eine internationale Studie an 57 Tierarten zeigt. Das hat weitreichende Folgen für die Ökosysteme.

50 bis 70 Prozent der globalen Landfläche sind heute in menschlicher Hand. Der Mensch verändert dabei nicht nur die natürlichen Landschaften, sondern kommt auch zahlreichen Tieren in die Quere. Kleine Exemplare wie Mäuse wird das wenig beeinträchtigen, aber andere brauchen mehr Platz, beispielsweise Löwen, Tiger und Elefanten, wie Bruce Patterson vom Fields Museum in Chicago in einer Aussendung erklärt. Er ist einer der etwa 100 Autoren der aktuellen Studie, die das Bewegungsverhalten von Säugetieren weltweit untersucht hat.

Giraffenherde

Giraffe Conservation Foundation

Mittels GPS haben sie die Bewegungen von insgesamt 803 Individuen bzw. 57 Arten bis zu zehn Tage lang aufgezeichnet, darunter waren Löwen in Kenia genauso wie Erdhörnchen in Nordamerika. Wie sehr die Lebensräume vom Mensch geprägt sind, haben die Forscher in einem Index berechnet. Erfasst haben sie dabei unter anderem Gebäude, landwirtschaftliche Flächen, die Bevölkerungsdichte, Bahngleise, Straßen und Lichtverschmutzung. Die Skala erstreckt sich von null - für völlig unberührt - bis 50, zum Beispiel für Großstädte wie New York.

Räume schrumpfen

Tatsächlich schrumpfte der Bewegungsspielraum der meisten Tiere stärker, je größer der menschliche Einfluss im jeweiligen Lebensraum ist. Im Schnitt bewegten sie sich nur halb so viel, zum Teil entsprachen die Distanzen nur mehr einem Drittel der üblichen Wege. Große Raubtiere wie Löwen legten in der wilden Natur im Schnitt mehr als 21 Kilometer zurück, in menschlich geprägten Gebieten waren es nur knapp sieben Kilometer.

Braunbären im Wald

Adam Wajrak

Offensichtlich verändern die Tiere in der menschlichen Umgebung ihr Verhalten. Das kann mehrere Gründe haben, wie die Forscher schreiben. Manche müssen sich vielleicht nicht mehr so viel bewegen, weil sie in der näheren Umgebung genug Futter finden, beispielsweise Rothirsche in Slowenien - sie werden heute zusätzlich gefüttert. Aber ihr Lebensraum ist genauso wie der sehr vieler anderer Tiere auch durch äußere Hindernisse beschränkt, etwa durch Straßen oder andere bauliche Veränderungen.

Ökologische Folgen

Welche Folgen der eingeschränkte Bewegungsraum haben wird, lässt sich im Detail noch nicht abschätzen. Die Forscher vermuten aber, dass die Verhaltensanpassung auch die Ökosysteme verändern wird. „Wenn sich die Säugetiere weniger bewegen, betrifft das auch ihre ökologischen Aufgaben“, erklärt Hauptautorin Marlee Tucker von der deutschen Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung.

Immerhin transportieren die Tiere Nährstoffe und Samen, die mit einem größeren Radius natürlich auch weitere Verbreitung finden. In größeren Lebensräumen finden zudem unterschiedlichste Arten zusammen, was wiederum für das Gleichgewicht zwischen Pflanzenfressern, Räubern und Beutetieren wichtig ist.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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