Wer sich ekelt, denkt autoritär

Was haben Körpergerüche mit Politik zu tun? Laut einer Studie mehr, als man denkt: Menschen, die sich leicht vor menschlichen Ausdünstungen ekeln, wünschen sich häufiger autoritäre Politik.

Ekel ist zwar nicht angenehm, aber grundsätzlich recht nützlich. Er verhindert, dass man verdorbene, mit Keimen belastete oder gar giftige Dinge zu sich nimmt. Wie Marco Tullio Liuzza von der „Magna Graecia“ Universität in Catanzaro gegenüber science.ORF.at ausführt, ist Ekel einerseits eine angeborene Reaktion: „Schon Neugeborene reagieren mit dem entsprechenden Gesichtsausdruck z.B. auf Bitteres. Aber worauf wir wie stark mit Ekel reagieren, ist sicher auch sozial erlernt.“

Die Studie

„Body odour disgust sensitivity predicts authoritarian attitudes“ (sobald online), Royal Society Open Science, 28.2.2018

Daher kann Ekel weit über die rein körperliche Empfindung hinausgehen. Es kann einem auch vor Menschen, die fremd oder anders aussehen, ekeln oder vor bestimmten Verhaltensweisen, z.B. sexuellen Praktiken, die nicht der Norm entsprechen. Studien zeigen, dass „echter“ Ekel und moralisch-sozialer Ekel das Gehirn recht ähnlich aktivieren.

Wie die Forscher um Liuzza in ihrer nun veröffentlichten Arbeit schreiben, ist der moralisch-soziale Ekel vor Anderen gewissermaßen Ausdruck einer Angst vor unsichtbaren Erregern. Es würde also nicht überraschen, wenn Menschen, die häufig so empfinden, für eine Gesellschaft sind, die den Kontakt zu allem Andersartigen möglichst minimiert.

Ängstlich und konservativ

Außerdem hätten Menschen, die sich vor vielem fürchten, eher einen Hang zu konservativen, autoritären Ideologien - das legen Untersuchungen nahe. Sie wünschen sich eine wohlsortierte Gesellschaft mit klaren Hierarchien, straffer sozialer Ordnung und strengen Strafen für alles Abweichende. Dazu komme eine negative Grundtendenz, d.h., autoritär denkende Menschen sehen eher das Schlechte in ihrem Umfeld.

Andere Studien zeigen, dass Konservative wirklich anfälliger für Ekel sind. Sogar in ihrem Gehirn wird demnach sichtbar, dass sie stärker auf ekelerregende Bilder reagieren. Das lasse vermuten, dass unsere politischen Einstellungen und Überzeugungen mitunter von ganz basalen Empfindungen geprägt sind.

Ekelerregende Gerüche

Zu den stärksten Auslösern von Ekel zählen Gestank und Geschmack. Dass auch beim moralischen Ekel und den entsprechenden politischen Haltungen solche olfaktorischen Komponenten im Spiel sein könnten, war Ausgangspunkt der Untersuchung von Liuzza und seinen schwedischen Forscherkollegen. In drei Folgestudien haben sie analysiert, ob sich Leute, die sich gern fern von für sie unangenehm riechenden Mitmenschen halten wollen, eher für autoritäre Gesellschaften sind, in denen unterschiedliche Gruppen möglichst separiert leben.

Um die Anfälligkeit für Ekel durch Körpergerüche zu erfassen, haben die Forscher vor Kurzem ein eigenes Werkzeug entwickelt, die Body Odor Disgust Scale, kurz BODS. Wie Liuzza erklärt, misst die Skala den Ekel - also die emotionale Reaktion auf Körpergerüche - und nicht, wie gut jemand riechen kann - das sei nämlich nicht automatisch dasselbe, wie sich bei Tests mit echten Gerüchen zeigte. In ihrer jetzigen Form soll BODS relativ verlässlich über die persönliche Ekelempfindlichkeit Auskunft geben, ohne dass die Teilnehmer tatsächlich an etwas riechen müssen. Es geht um die Bewertung von sechs Körpergerüchen in unterschiedlichen Szenarien auf einer Skala von eins bis fünf: Atem, Achselschweiß, Fußgeruch, Kot, Urin und Blähungen.

Autoritärer Geruchssinn

Die politische Orientierung wurde mit einem bereits etablierten psychologischen Werkzeug gemessen, der Right-Wing Authoritarianism Scale. Sie gibt unter anderem an, wie autoritär eine Persönlichkeit ausgerichtet ist. Laut Liuzza ist Autoritarismus dabei nicht notwendigerweise rechts oder konservativ, aber es sei ein wichtiger Aspekt dieser politischen Ausrichtung. Auch am anderen Ende des Spektrums könne man autoritäre Ideen finden, aber nicht ganz so häufig.

Für die erste Studie wurden online in mehreren Ländern etwa 160 Personen befragt, für die zweite 160 US-Bürger. Bei beiden war der Zusammenhang eindeutig: Je ekelanfälliger ein Teilnehmer, umso autoritärer war die Gesinnung. Bei anderen konservativen Merkmalen, wie etwa dem Wunsch nach sozialer Dominanz, zeigte sich übrigens keine Korrelation mit dem Ekel. Die dritte Studie fand während der Präsidentschaftswahl in den USA statt. Auch hier bestätigte sich der Zusammenhang, wenngleich er nicht ganz so deutlich war: Unter den Ekelempfindlichen waren mehr Trump-Anhänger. Das passt ganz gut ins Bild seiner Rhetorik, denn der US-Präsident hat sich schon das eine oder andere Mal geekelt, z.B. vor Frauen.

Nicht in Stein gemeißelt

Heißt das nun, dass man der eigenen Empfindlichkeit ausgeliefert ist und sich seine politische Einstellung gar nicht aussuchen kann? So einfach ist es natürlich nicht, wie Liuzza betont: „Es gibt zwar eine konsistente Korrelation zwischen der Ekelreaktion und autoritären Haltungen. Aber dennoch ist das nur ein kleiner Teil. Unsere politische Haltung ist vor allem von einer Menge anderer Faktoren geprägt, wie etwa der Herkunft, der Sozialisation und dem soziodemographischen Hintergrund.“

Außerdem könnten sich selbst tief sitzende politische Überzeugungen ändern, ist Koautor Jonas Olofsson von der Stockholm University überzeugt: „Wenn es mehr Kontakt zwischen verschiedenen Gruppen gibt, kann sich die autoritäre Orientierung verändern. Wenn wir neue Dinge lernen, werden auch Überzeugungen aktualisiert“, erklärt er in einer Aussendung. Auch wenn man sich mit Gerüchen anderer Kulturen vertraut macht, kann das gegen Vorurteile helfen, schreiben die Forscher in der Studie.

Könnte man Autoritarismus auch einfach mit guten Gerüchen bekämpfen? Das ist wahrscheinlich etwas überzogen, aber vielleicht könnte man damit die Begegnung von einander fremden Menschen unterstützen, meint Liuzza: „Das wäre dann eine Form von angewandter Psychologie, die Vorurteile verringert.“

Eva Obermüller, science.ORF.at

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