Neue Leitung für Kriegsfolgenforschung

Das Ludwig-Boltzman-Institut für Kriegsfolgenforschung bekommt mit Barbara Stelzl-Marx eine neue Leiterin. Die Pläne der Zeitistorikerin: Sie will den Forschungsschwerpunkt weiterhin auf Osteuropa setzen und die Digitalisierung vorantreiben.

Das Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung will in den kommenden Jahren moderner werden. „Was sicherlich interessant sein wird, und was für uns aber auch Neuland ist, ist die Digitalisierung von Akten“, sagt die Historikerin Barbara Stelzl-Marx, die mit dem heutigen Tag die Leitung des Instituts übernimmt. Dabei sollen schriftliche und mündliche Quellen digitalisiert und künftig für Forscher sowie für die Öffentlichkeit online zugänglich werden. Konkrete Projekte gibt es noch nicht, seien aber in Vorbereitung. „Hier stehen wir noch am Anfang.“

Veranstaltungshinweis

Am 2. März wird in einer Festveranstaltung in der Aula der Universität Graz ein Blick in die Vergangenheit und die Zukunft des Ludwig Boltzmann Instituts für KriegsfolgenForschung geworfen werden. Der ins Pensionsalter gekommene Historiker wird dann die Leitungsfunktion an die Grazer Zeithistorikerin Barbara Stelzl-Marx übergeben.

Rückblick auf 25 Jahre

Bekannt geworden ist das Institut in den letzten 25 Jahren unter anderem durch die Untersuchung von bis dahin geheimen Dokumenten der früheren sowjetischen Geheimdienste. Dadurch konnten die Forscher mitunter aufklären, was mit tausenden Österreichern in der sowjetischen Gefangenschaft passiert war. Auch mit der Aufarbeitung der Besatzung durch die Roten Armee schloss das Institut nicht nur Forschungslücken, sondern hilft bis heute Österreichern ihre Familienschicksale zu klären, sagt Stelzl-Marx, die selbst zentral an den Forschungen der letzten Jahre beteiligt war.

„Es kommen nach wie vor laufend Anfragen, obwohl wir dieses Service schon seit 25 Jahren führen.“ Zunehmend steigt auch das Interesse der sogenannten Besatzungskinder, also jener Kinder, die während der Besatzungszeit gezeugt worden waren und wo die Vaterschaft bis heute zum Teil unklar ist. Laut der Forscherin gibt es in Österreich rund 30.000 Besatzungskinder. Am 24. April findet im Haus der Geschichte in St. Pölten ein Zeitzeugenforum zu sowjetischen Besatzungskindern statt.

Ö1-Sendungshinweis

Diesem Thema widmet sich ein Beitrag in „Wissen aktuell“ am 2.3. um 13:55.

Auch in Zukunft will die Historikerin dafür sorgen, dass Forschungsergebnisse einen gesellschaftlichen Mehrwert haben. So wird im November eine Ausstellung unter der Leitung von Stelzl-Marx im Grazer Stadtmuseum zum ehemaligen Zwangsarbeiterlager Liebenau eröffnet. Das Lager stellte im April 1945 eine Zwischenstation auf den Todesmärschen ungarischer Jüdinnen und Juden ins KZ Mauthausen dar. „Das war ein Thema, das jahrzehntelang in Vergessenheit geraten und wo im wahrsten Sinn des Wortes Gras darüber gewachsen war. In diesem Zusammenhang gibt es durchaus noch einen Vermittlungs- und Aufarbeitungsbedarf.“

Weiterhin Blick nach Osten

Für kommende Forschungsprojekte setzt Stelzl-Marx wie in der Vergangenheit auch weiterhin auf eine starke Kooperation mit russischen Forschungseinrichtungen. „Das ist etwas, womit sich das Institut einen Namen machen konnte, wo wir von Anfang an ausgezeichnete Kontakte und ein sehr gutes Netzwerk haben. Daher möchten wir auch weiterhin einen Schwerpunkt auf Osteuropa legen.“

Neben Forschungen zu Stalins Propaganda für sowjetische Displaced Persons und Wehrmachtskindern in der Sowjetunion sollen etwa auch die diplomatischen Beziehungen zwischen Russland und Österreich historisch aufgearbeitet werden.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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