„Gescheitert", aber mit Langzeitfolgen

Heute vor 170 Jahren haben Studenten in Wien bürgerliche Freiheiten und eine Verfassung gefordert. Es kam zum Aufstand, der blutig niedergeschlagen wurde: eine „gescheiterte Revolution“, die zum Anfang des Endes des k.u.k.-Vielvölkerstaats wurde.

Es war der 13. März 1848, als Erzherzog Albrecht, der Militärkommandant von Wien, auf demonstrierende Studenten in der Herrengasse schießen ließ. Mehrere Demonstranten starben. Sie waren gekommen, um Kaiser Ferdinand I Petitionen zu überreichen.

Darin forderten sie gemeinsam mit sympathisierenden Professoren und verschiedenen bürgerlichen Vereinen Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit, Lehr- und Lernfreiheit an den Universitäten, das Recht der Bauern, Grund und Boden selbst zu erwerben, sowie die Gleichberechtigung der Nationalitäten im Habsburger Vielvölkerstaat.

Auch für Frauenwahlrecht demonstriert

Als geschossen wurde, eskalierte die Lage. Nun kam es auch in anderen Straßen Wiens zu Demonstrationen, Barrikaden wurden errichtet. Arbeiter schlossen sich den Studenten an. „Auch Frauen haben demonstriert, das wird heute oft vergessen“, sagt die Historikerin Brigitte Mazohl, emeritierte Geschichtsprofessorin der Universität Innsbruck und Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

„Sie haben damals schon das Frauenwahlrecht eingefordert. Nicht so die Studenten: Die bürgerlichen Freiheiten, die sie wollten, wurden nicht für Frauen gefordert.“ Noch am selben Tag musste Staatskanzler Metternich zurücktreten.

Rechtes Gedenken trotz sozialistischer Ideen

Es war eine Revolution des Bürgertums, erklärt Mazohl: „Es waren Intellektuelle, aber stark unterstützt von der Arbeiterschaft. Die politischen Lager von heute gab es damals noch nicht. Es war eine junge Generation, die Freiheit einforderte. Da gab es gemäßigte und radikalere, aber nicht links und rechts.“ Von radikaleren Intellektuellen, die sich stark an Frankreich orientierten, wurden oft sozialistische Ideen vertreten. „Trotzdem bekommt das Gedenken an 1848 von linker Seite wenig Aufmerksamkeit“, sagt die Historikerin.

Gedenkveranstaltung

Die Petitionen, die die Studenten am 13. März 1848 dem Kaiser überreichen wollten, wurden am Vorabend in der Universität Wien in der Bäckergasse unterzeichnet. Heute befindet sich dort die Österreichische Akademie der Wissenschaften, die am 12. März 2018 mit einer Gedenkveranstaltung an die Revolution von 1848 erinnerte.

Heute sind es in Österreich die deutschnationalen Burschenschaften, die die Erinnerung an 1848 hochhalten. Dabei entstanden sie hierzulande erst in den 1860er-Jahren. Sie orientierten sich aber von Anfang an den deutschen Burschenschaften, die in Deutschland in der Revolution von 1848 eine große Rolle spielten.

Ein geeinter deutscher Staat, der sich gegen den Feind Frankreich verteidigen sollte, war das Ziel der Burschenschaften in Deutschland. In Österreich war die Ausgangslage 1848 eine andere: Nationale Freiheit bedeutete im Vielvölkerstaat nicht Einigung, sondern Autonomie. Insbesondere in Ungarn, wo auch protestiert wurde, wurde mehr Unabhängigkeit von Wien gefordert. Auch war die 1848er-Revolution in Österreich nicht antisemitisch aufgeladen: Die bürgerlichen Freiheiten wurden auch explizit für Juden gefordert.

Gleichberechtigung der Nationalitäten formal erreicht

Der Kaiser stellte am 15. März 1848 eine Verfassung in Aussicht, die allerdings ohne Beteiligung einer Volksvertretung ausgearbeitet wurde. Als sie im April erlassen wurde, kam es wieder zu Protesten. Der Höhepunkt der Gewalteskalation war im Oktober, als die Proteste in Wien blutig niedergeschlagen wurden. Im März 1849 wurde eine neue Verfassung vom Kaiser erlassen, wie ihre Vorgängerin ohne demokratische Beteiligung. Deshalb wird heute oft von der „gescheiterten Revolution“ gesprochen.

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Ganz so möchte das Mazohl aber nicht sehen: „Es sind wesentliche Forderungen erfüllt worden, die später auch nicht mehr rückgängig gemacht wurden.“ Beispielsweise die Lehr- und Lernfreiheit an den Universitäten. Anders sah es allerdings mit der Meinungs- und Pressefreiheit aus – da wurde die Politik bald wieder rigoroser.

Eine Errungenschaft, die heute fast gänzlich in Vergessenheit geraten ist, ist die Gleichberechtigung der Nationalitäten, sagt Mazohl: „Sie wurde als Grundprinzip in der Verfassung deklariert. Das war einzigartig: Die Gleichberechtigung der Nationalitäten war damals in keiner anderen Verfassung in Europa in dieser Form verankert.“ Immer mehr Völker beriefen sich in den folgenden Jahrzehnten auf ihr Recht und wollten nicht mehr in einem österreichisch-deutsch geführten Staat leben. Möglicherweise ist es kein Zufall, dass diese Errungenschaft im heutigen Kleinstaat Österreich nicht gerne gefeiert wird.

Katharina Gruber, Ö1-Wissenschaft

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