Archaeopteryx konnte doch fliegen
Das erste Überbleibsel eines Archaeopteryx - eine einzelne Feder - wurde 1860 in Solnhofen entdeckt. Ein Jahr später folgte ein erster Skelettfund. Bis heute wurden zwölf mehr oder weniger vollständige Fossilien des vor etwa 150 Millionen Jahren lebenden Archaeopteryx beschrieben. Alle Funde stammen aus Bayern.
Todd Marshal
„Damals war die Region ein subtropisches, flaches Randmeer“, erläutert Martin Röper, einer der Autoren der in „Nature Communications“ erschienenen Studie. „Europa, wie wir es kennen, war geflutet, abgesehen von einigen Inselkernen. Es gab lagunenartige Becken und Korallenriffe.“
Halb Vogel, halb Saurier
Der Urvogel vereinte Merkmale der Vögel und der Saurier: Er hatte Federn und Flügel, aber auch Zähne und eine lange Schwanzwirbelsäule wie die Dinosaurier. Er war etwa so groß wie eine Elster. Ob er fliegen konnte oder nicht, war bisher unter Fachleuten umstritten. Einige nahmen an, dass das Federkleid eher der Balz und dem Schutz vor Kälte diente und der Urvogel sich vielleicht hüpfend fortbewegte oder allenfalls passiv von Bäumen gen Boden glitt. Andere vermuteten, dass er zumindest in Grundzügen aktiv flugfähig war.
Ein Problem bei der Klärung der Frage bestand darin, dass die Fossilien sehr kostbar sind und bei Untersuchungen nicht zerstört werden dürfen. Die Wissenschaftler um Dennis Voeten von der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF), einer Großforschungseinrichtung in Grenoble, durchleuchteten nun Fossilien von drei Archaeopteryx-Exemplaren mit einer speziellen Tomographie-Methode. Auf diese Weise konnten sie zerstörungsfrei den inneren Aufbau der Knochen untersuchen.
ESRF/Pascal Goetgheluck
„Der Clou bei dieser Technik ist, dass das Objekt während der Aufnahme rotiert“, erklärt Röper. Die Knochen werden dabei zunächst von allen Seiten durchleuchtet, mit den Daten können die Forscher dann am Computer beliebige Längs- und Querschnitte anfertigen.
Knochen wie der Fasan
Auf diese Weise fanden die Wissenschaftler heraus, dass die Flügelknochen im Querschnitt denen moderner Vögel ähnelten. „Wir sahen sofort, dass die Knochenwände bei Archaeopteryx viel dünner waren als die von am Boden lebenden Dinosauriern, aber sehr denen von konventionellen Vögeln ähnelten“, erläutert Voeten.
„Die Datenanalysen zeigen außerdem, dass die Archaeopteryx-Knochen am ehesten denen von Vögeln wie Fasanen glichen, die gelegentlich durch aktiven Flug Hürden überwinden oder Feinden entwischen. Aber nicht solchen Vögeln, die lange Zeit durch die Luft segeln oder gleiten wie viele Raubvögel oder einige Seevögel.“
Antiquierter Fulgstil
„Damit ist zum ersten Mal klar, dass der Archaeopteryx aktiv fliegen konnte“, sagt Röper. Er habe vermutlich nicht nur flüchten, sondern auch von Insel zu Insel fliegen können. Die Untersuchung werde die Diskussionen um die Flugfähigkeit der Tiere beenden, glaubt der Paläontologe.
Jana Růžičková
Stattdessen dürfte sich die Forschung jetzt auf den Flugstil der Urvögel konzentrieren. Der war mit dem heutiger Vögel wohl nicht zu vergleichen, etwa im Hinblick auf Flügelschlag und Körperhaltung. „Vor allem der Aufbau seines Brustbeins und der Schulterstruktur ist mit dem Flug moderner Vögel unvereinbar“, erläutert Röper. Insbesondere die Drehbewegung der Flügel beim Schlagflug heutiger Flügel sei damit nicht möglich.
Der Archaeopteryx ist übrigens nicht der direkte Urahn aller heute lebenden Vögel. Er gehörte vielmehr zu einer Gruppe gefiederter, vogelartiger Raubsaurier, aus denen erst später die Vögel hervorgingen.
science.ORF.at/APA