Warum Hawking nicht an Gott glaubte

Was machte Stephen Hawking zur Ausnahmeerscheinung? Der österreichische Physiker Anton Zeilinger versucht im Ö1-Interview eine Einordnung: ein Gespräch über Schwarze Löcher, Gottesbeweise und intelligentes Leben im Universum.

Ö1-Mittagsjournal: Was verdanken wir Stephen Hawking als Wissenschaftler? Was wissen wir, was wir ohne ihn nicht wissen würden?

Anton Zeilinger: Stephen Hawking hat sich sehr intensiv mit Kosmologie befasst, und zwar mit dem frühen Kosmos, mit dem frühen Universum. Er hat signifikante Entdeckungen gemacht - zum Teil mit anderen, wie z.B. mit Roger Penrose, dass ein Universum nicht ohne Singularitäten auskommt. Eine Singularität ist etwas, in dem sich eine kontinuierliche mathematische Beschreibung nicht mehr ausgeht. Die berühmtesten Singularitäten sind Schwarze Löcher.

Ö1-Mittagsjournal: Dazu hat er neue Erkenntnisse geliefert?

Zeilinger: Dazu hat er ganz neue Dinge geliefert. Unter anderem: Ein Schwarzes Loch - so muss man sich vorstellen - ist eine Singularität, wirklich ein Punkt, in den alles hineinfällt und nichts mehr herauskommen kann.

Ö1-Mittagsjournal: Hawking wollte die ganz großen Fragen der Physik, der Menschheit, der Wissenschaft beantworten. Also woher wir kommen, woraus alles entstanden ist. Hat er diesen Anspruch erfüllen können?

Zeilinger: Für sich selbst nehme ich schon an. Nur sind das Dinge, über die man verschiedener Meinung sein kann. Ein Beispiel, das er vertrat: Da wir das Gesetz der Gravitation haben, benötigen wir keinen Gott, der das Weltall geschaffen hat; sondern aus diesem Gesetz der Gravitation hat sich das Weltall selbst geschaffen. Aber da kann man schon die Frage stellen, die Hawking nicht gestellt hat, woher kommt denn dann das Gesetz der Gravitation?

Ö1-Mittagsjournal: Woher kommt es denn?

Zeilinger: Das ist eine offene Frage.

Ö1-Mittagsjournal: Das ist ein Thema, bei dem viele Wissenschaftler, wie zum Beispiel Albert Einstein, irgendwann landen: Gott, auch Stephen Hawking. Er hat gemeint, man braucht das Konzept eigentlich nicht mehr, weil es die Schwerkraft gibt. Ist das nicht ein bisschen einfach?

Zeilinger: Das ist genau der Punkt. Woher kommen die Gesetze? Woher kommt das Gesetz der Schwerkraft? Kommt das vielleicht von einem Gott oder nicht? Zu solchen Fragen hat die Naturwissenschaft eigentlich zu schweigen. Und es ist jedermanns eigene Sache.

Ö1-Mittagsjournal: Und bleibt letztlich eine Glaubensfrage?

Zeilinger: Ja, das bleibt es.

Ö1-Mittagsjournal: Stephen Hawking hat in einem Fernsehinterview gesagt: Man kann nicht beweisen, dass Gott nicht existiert, aber die Wissenschaft macht Gott überflüssig. Würden Sie diesen Schluss aus seinen Arbeiten für zulässig erklären?

Zeilinger: Aus seinen Arbeiten folgt das wohl nicht. Sondern das ist wieder eine Glaubensfrage, die er vertritt. Um es klar zu formulieren: Man kann Wissenschaft betreiben, ohne sich je mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Das ist nicht notwendig. Und es ist manchmal sogar schlecht für den Naturwissenschaftler, wenn er sich nicht von der Wissenschaft allein leiten lässt. Aber naturwissenschaftlich lässt sich da nicht viel beantworten.

Ö1-Mittagsjournal: Womit er sich sehr konkret beschäftigt hat, waren auch aktuelle, sehr politische Fragen: Klimawandel, atomare Rüstung - auch da hat er sehr wichtige Impulse geliefert.

Zeilinger: Er hat viel gewarnt vor einigen Dingen, die für uns als Menschheit gefährlich werden könnten. Das eine war der Klimawandel, das andere war die Entwicklung von Viren, die wir nicht mehr beherrschen können. Das letzte war dann ein plötzlicher Atomkrieg. Wenn ein Atomkrieg ausbricht, kann er urplötzlich entstehen, binnen Minuten, ohne dass die Beteiligten wissen, was sie tun. Er war auch der Meinung, dass es mit Sicherheit anderes intelligentes Leben im Universum gibt, aber er meinte, wir sollen mit ihnen auf keinen Fall Kontakt aufnehmen, denn dann würde es uns vielleicht so gehen, wie den Ureinwohnern in Nordamerika, als die Europäer kamen.

Ö1-Mittagsjournal: Wenn man sein Leben, seine Arbeit betrachtet, ist es trotz der wissenschaftlichen Erkenntnisse vielleicht seine größte Leistung, wie er mit seiner Krankheit umgegangen ist: arbeiten, forschen und aus dem Leben das Maximum herausholen.

Zeilinger: Es ist eine unglaubliche Leistung, dass er das so geschafft hat und jeden Schritt offenbar bewusst geplant hat. Denn seine Erkrankung ist ja immer schlechter geworden. Am Anfang konnte er die Dinge noch mit dem Finger steuern, später nur mehr mit einem Augenzwinkern. Das ist absolut zu bewundern, wie er das gemeistert hat und bis zum letzten Moment von der Wissenschaft begeistert war.

Das Gespräch führte Christian Williwald, Ö1-Journale.

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