Warum die Artenvielfalt wichtig ist

Verseuchte Gewässer und abgeholzte Wälder rauben immer mehr Tier- und Pflanzenarten die Lebensgrundlage. Das hat mittlerweile auch „direkte Auswirkungen auf das Wohlergehen der Menschen“, sagt der britische Umweltforscher Robert Watson.

Watson ist der Vorsitzende des Weltbiodiversitätsrats IPBES, der - ähnlich wie der Weltklimarat IPCC - Regierungen in ihrer Umweltpolitik unterstützen soll. Die Plattform erstellt wissenschaftliche Gutachten, die über den Zustand der Ökosysteme Auskunft geben: „Um die nicht nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen umzukehren, braucht es bestmögliche Beweise und schlüssige Optionen für die Politik“, so Watson.

Ziel: „Ökosysteme stabilisieren“

Drei Jahre lang haben über 550 internationale Experten an vier Regionalberichten und einem Spezial-Report gearbeitet. Bei der sechsten Plenarsitzung des Weltbiodiversitätsrats vom 17. bis 24. März im kolumbianischen Medellín sollen Vertreter der 128 Mitgliedsstaaten die Berichte nun diskutieren und verabschieden.

„Biodiversität stützt die Wirtschaft, Nahrungsmittelsicherheit und Lebensqualität der Menschen überall. Politische und wirtschaftliche Entscheidungen, aber auch der persönliche Lebensstil können eine nachhaltige Zukunft entweder bedrohen oder fördern“, sagt die Exekutivsekretärin von IPBES, Anne Larigauderie. „Die Ökosysteme zu stabilisieren und die Vielfalt des Lebens auf unserem Planeten zu erhalten, ist fundamental für Gesundheit und Wohlergehen der Menschheit sowie die Bekämpfung von Armut.“

Planet Erde am Limit

Die Menschen treiben den Planet immer mehr an die Belastungsgrenzen. Seit 1990 wurden laut dem Living Planet Report der Umweltschutzorganisation WWF rund 239 Millionen Hektar Wald vernichtet - eine Fläche knapp dreißigmal so groß wie Österreich. Bereits auf 34 Prozent aller Böden wird Landwirtschaft betrieben. Über 30 Prozent der Fischbestände weltweit gelten als überfischt. „Es muss uns gelingen, die menschliche und wirtschaftliche Entwicklung von der Umweltzerstörung zu entkoppeln“, heißt es in dem Bericht.

Bergregenwald in den Anden

Patrick Strutzenberger/Uni Wien

Die Waldflächen der Erde schmrupfen nach wie vor

„Da tragen die Unternehmen eine ganz große Verantwortung“, sagt der Leiter der Abteilung für Internationale Biodiversitätspolitik beim WWF, Günter Mitlacher. „Viele Firmen kennen ihre eigenen Lieferketten überhaupt nicht. Es ist aber ihre Pflicht sicherzustellen, dass bei der Herstellung ihrer Produkte kein Schaden angerichtet wird.“

Gerade in ärmeren Ländern geht die Sorge um, dass Umweltschutz die wirtschaftliche Entwicklung bremsen könnte. „Wir müssen mit den Entwicklungsländern zusammenarbeiten. Wir sind schließlich davon abhängig, dass sie beim Schutz der biologischen Vielfalt mitziehen. Also stehen wir auch in der Verantwortung, ihnen dabei zu helfen“, sagt die Abteilungsleiterin für Naturschutz und nachhaltige Naturnutzung im deutschen Umweltministerium, Elsa Nickel. Die deutsche Regierung investiere pro Jahr eine halbe Milliarde Euro in den Schutz der Ökosysteme weltweit.

Gesellschaftliche Folgen

Der schwedische Wissenschaftler Johan Rockström hat das Konzept der planetaren Grenzen entwickelt. Demnach ist der rasante Verlust der biologischen Vielfalt das größte Problem für die Menschheit - noch vor dem Klimawandel. Nach Einschätzung von Experten hat der Rückgang an Biodiversität längst wirtschaftliche, gesellschaftliche und sogar sicherheitspolitische Folgen.

Weibliches Breitmaulsnashorn mit Jungtier

AFP/Tony KARUMBA

Die Wilderei hat auch gesellschaftliche Auswirkungen

„Mit dem illegalen Wildtierhandel beispielsweise werden Million umgesetzt. Das Geld fließt oft in die Taschen von Terroristen und Milizen, die Länder und ganze Regionen destabilisieren“, sagt WWF-Experte Mitlacher.

Wenn landwirtschaftliche Anbauflächen zerstört oder die Fischbestände dezimiert werden, weil Korallenriffe oder Mangrovenwälder absterben, berge das sozialen Zündstoff. Elsa Nickel: „Biologische Vielfalt ist längst kein Orchideenthema für Umweltschützer mehr, die ein paar Orang-Utans im Regenwald retten wollen - das muss in alle Politikbereiche gehen.“

science.ORF.at/dpa

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