Gletscherschmelze ist nicht abzuwenden

Selbst wenn man von heute auf morgen alle Treibhausgasemissionen stoppen würde, wird ein Drittel der weltweiten Gletschermasse schmelzen: Zu diesem Ergebnis kommt eine internationale Studie.

Der Grund dafür: Die Eismassen reagieren sehr langsam auf das sich ebenfalls nur träge verändernde Klima. Was derzeit schmilzt, sei das Resultat von Emissionen aus den vergangenen Jahrzehnten, erklärte Georg Kaser von der Universität Innsbruck, einer der Studienautoren. „Für viele kleinere Gletscher der Erde bedeutet es, dass sie einfach verschwinden werden, wie zum Beispiel ein Großteil der Ostalpen-Gletscher. Größere Gletscher schmelzen wiederum nur zum Teil ab", so Kaser gegenüber science.ORF.at.

Der Gletscherforscher und seine Kollegen haben zwei Prognosen erstelllt: die Eisschmelze bei Einhaltung des Pariser Klimaabkommens bis ins Jahr 2100 und die Eisschmelze, wenn man ab sofort den Ausstoß aller Treibhausgase einstellen würde. „Nicht mit einberechnet haben wir die Eisschilde der Antarktis und Grönlands, da deren Eismassen nicht nur von den Atmosphärenverhältnissen abhängen“, erklärte Kaser.

Luftaufnahme von Hintereisferner und Weißkugel in Tirol 2015

Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften, Universität Innsbruck

Luftaufnahme von Hintereisferner und Weißkugel in Tirol 2015

Das Ergebnis: Beim sofortigen Emissionsstopp würden 36 Prozent aller Gletscher weltweit in den nächsten 200 bis 500 Jahren unwiederbringlich schmelzen. Nimmt man hingegen das - auch nicht unbedingt realistische - Klimaszenario des Pariser Klimaabkommens und geht von einer sukzessiven Reduktion der Treibhausgase und einem Temperaturanstieg von zwei Grad Celsius aus, sagen die Forscher einen Gletscherverlust von 29 Prozent bis Ende des Jahrhunderts voraus. Schafft man es, das Temperaturplus bei 1,5 Grad Celsius anzuhalten, beläuft sich der Gletscherverlust bis ins Jahr 2100 auf 25 Prozent. Der Temperaturunterschied von 0,5 Grad wirke sich kaum aus - zumindest vorerst. „Diese Unterschiede werden erst im 22. Jahrhundert deutlich werden“, so Kaser. Bei einer Zwei-Grad-Erwärmung werden auf lange Sicht knapp zwei Drittel des Eises (ca. 62 Prozent) wegschmelzen, bei einer Erwärmung von 1.5 Grad Celsius rund die Hälfte (ca 52 Prozent).

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichteten auch die Ö1-Journale, 19.3., 7.00 Uhr.

„500 Meter Autofahren, ein Kilo Eis“

Für den weiteren Verlauf der Gletscherschmelze spielt es demnach durchaus eine Rolle, wie viel Treibhausgase in den nächsten Jahren in die Atmosphäre abgegeben werden. Konkret rechnen die Forscher damit, dass jedes Kilogramm CO2, das heute ausgestoßen wird, auf lange Sicht weitere 15 Kilogramm Gletscher zum Schmelzen bringt. „Auf eine Fahrt mit einem Mittelklassewagen umgerechnet bedeutet das, dass nach fünfhundert Metern Autofahrt ein Kilogramm Eis geschmolzen wird.“

Wie viel Eis schmilzt, wird letztlich beeinflussen, wie stark der Meeresspiegel in Zukunft steigt. „Insgesamt haben wir derzeit 30 Zentimeter Meeresspiegelbeitrag in den Gletschern gespeichert.“ Kaser appelliert deshalb an die Verantwortlichen, den CO2-Ausstoß so rasch wie möglich zu reduzieren.

Die Ergebnisse der Studie führten bereits zu Reaktionen aus der Fachwelt. Die Studie ergänze das Verständnis der globalen Reaktion der Gletscher außerhalb der großen Eisschilde auf den Klimawandel. Den „wunden Punkt“ der Studie würden allerdings die regionalen Unterschiede im erwarteten Gletscherrückzug bilden.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

Mehr zu dem Thema: