Warum Formel-1-Stars häufig kollidieren
Es kommt nicht oft vor, dass die Formel 1 Inhalt einer Studie in einer der führenden Wissenschaftszeitschriften der Welt ist. In der aktuellen Ausgabe der “Proceedings of the National Academy of Sciences” erweisen Netzwerkforscher um Henning Piezunka von der Wirtschaftshochschule Insead im französischen Fontainebleau dem Motorsport nun aber die Ehre.
Studie
”Escalation of competition into conflict in competitive networks of Formula One drivers”, PNAS, 26.3.2018
Die Forscher haben dabei eine Theorie des US-Soziologen Roger Gould untersucht. Gould beschrieb in seinem 2003 erschienenen Buch “Collision of Wills“, unter welchen Umständen Menschen eher in Konflikt geraten. In symmetrischen Beziehungen – also etwa unter Freunden oder sozial Gleichgestellten – ist dies ihm zufolge wahrscheinlicher als in hierarchischen. Denn in letzteren sind die sozialen Unterschiede bereits fixiert, so Gould, der Streit quasi gar nicht mehr nötig.
Ähnliche Stelle in der „Hackordnung“
Ob es diesen Zusammenhang zwischen Konflikten und “struktureller Äquivalenz”, wie es im Forscherjargon heißt, tatsächlich gibt, haben Piezunka und Kollegen nun anhand der Unfallstatistik der Formel 1 untersucht. Von 1970 bis 2014 werteten sie Daten von 732 Rennen aus. 355 Fahrer saßen in dem Zeitraum am Steuer eines Formel-1-Boliden, insgesamt kam es zu 506 Kollisionen, bei denen zumindest einer der beteiligten Fahrer das Rennen aufgeben musste.
APA/AFP/WILLIAM WEST
Die Forscher stellten Zweierbeziehungen her – jeder mit jedem Fahrer über den Zeitraum von 35 ergab das die stolze Anzahl von über 193.000 –, und überprüften dann die Anfälligkeit für eine Kollision. Das Resultat bestätigte ihre Hypothese: Je näher die Rennfahrer in der „Hackordnung“ sind – also etwa beide Chancen haben, um den Weltmeistertitel mitzufahren – desto wahrscheinlicher ist eine Kollision.
Sind die beiden Fahrer ähnlich alt, sind sie noch anfälliger dafür – was das Beispiel Hamilton und Vettel, die nur zweieinhalb Jahre auseinanderliegen, etwa beweist. Ein vielleicht überraschender Nebenbefund: Regen oder generell schlechtes Wetter verringert die Chance eines Zusammenpralls.
Lukas Wieselberg, science.ORF.at