Künstliche Haut verändert Farbe

Wissenschaftler haben ein weiches und zugleich reißfestes Material geschaffen, das außerdem die Farbe ändern kann. Als Vorbild dienten die menschliche Haut - und das Chamäleon.

Chamäleons brauchen keinen Gedanken daran zu verschwenden, wie sie bestens getarnt durch das Blattwerk schleichen, aber die Wissenschaftler aus Frankreich, Russland und den USA haben Jahre damit verbracht, solche Eigenschaften in einem Material zu vereinen.

Alleine die Robustheit von Haut ist etwas, das man nur schwierig nachbauen kann, erklärt Sergei Sheiko, ein Ko-Autor der Studie im Fachblatt „Science“: “Haut ist zunächst extrem weich. Wenn man sie verformt wird sie jedoch steifer – das ist eine einzigartige Eigenschaft von natürlichem Gewebe.“

Künstliche Natürlichkeit

Die meisten herkömmlichen Materialien sind entweder hart oder weich, aber nicht beides zugleich. Das lässt sich leicht an einem Gummihandschuh überprüfen: Zieht man daran, bleibt er elastisch.

Bei dem jetzt entwickelten Elastomer aber steigt die Steifigkeit praktisch genauso gut wie bei der Haut - dank seines molekularen Aufbaus. Die Autoren nennen es seiner Form wegen „bottlebrush“- oder Flaschenbürstenmolekül. Es besteht aus einem beweglichem Mittelstrang und fadenartigen Seitenketten, die sich versteifen, wenn Druck ausgeübt wird.

Mit dem Aufbau der Haut hat das eigentlich nichts zu tun. Dort arbeiten harte Kollagenfasern und weiches Elastin zusammen, um dieselben mechanischen Eigenschaften zu erreichen. Gerade das reizt Sergei Sheiko: Die komplexen Eigenschaften aus der Natur auf anderem Weg nachzubauen - das sei die Herausforderung und das Faszinierende an diesem Forschungsprojekt.

Druck erzeugt Farbwechsel

Hinzu kommt noch die chamäleonartige Farbveränderung. Werden die Seitenketten zusammengedrückt, ändert sich die Reflexion des Lichts und somit auch die Farbe. Wie sehr sich das Material versteift, lässt sich ebenfalls durch die Seitenketten anpassen.

Man könne damit die mechanischen Eigenschaften praktisch aller Zellen in unserem Körper nachahmen, vom Gehirn bis zur Haut, zeigt sich Sergei Sheiko begeistert: “Wir erwarten große Resonanz - man könnte damit Implantate herstellen, die zum Beispiel Medikamente verabreichen. Oder Geräte, die in der Haut etwas messen können. Und man wird es nicht als störend wahrnehmen, weil das Material die mechanischen Eigenschaften der umgebenden Zellen imitieren kann.“

Robo-Schmetterling aus China

In eine ähnliche Kerbe schlägt auch eine chinesische Arbeit, die nur einen Tag zuvor in „Science Robotics“ erschienen ist, doch etwas näher an der Natur bleibt. Dort haben Forscher laborgezüchtete Herzmuskelzellen von Ratten künstlich beschichtet.

Ein Hydrogel mit Nanostrukturen an der Oberfläche reflektiert das Licht so, dass bestimmte Farben entstehen. Wenn sich die Zellen zusammenziehen, ändert sich die Farbe mit.

Die Forscher haben damit zunächst einen Schmetterlingsroboter mit diesen Eigenschaften ausgestattet, könnten sich aber auch Anwendungen im menschlichen Körper vorstellen: zum Beispiel bei medizinischen Geräten, die Sensordaten visualisieren.

Isabella Ferenci, science.ORF.at

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