Kinder sind so fit wie Triathleten

Sie rennen den ganzen Tag herum und werden trotzdem nicht müde. Wie schaffen Kinder das? Französische Forscher weisen nach: Kinder haben extrem ausdauernde Muskeln - und erholen sich sogar schneller als Triathleten.

Bei langweiligen Museumsbesuchen haben die Kleinen, wie erfahrene Mütter und Väter wissen, bisweilen mit akuten Erschöpfungssymptomen zu kämpfen. Als da wären: schwere Beine, Spontanschlaf, Erschlaffung - und möglicherweise auch ein klitzekleines Motivationsproblem. Denn beim nachfolgenden Besuch auf dem Spielplatz sind sie meist wieder topfit. Dann flitzen sie ohne Unterlass zwischen Rutsche und Sandkasten hin und her, sodass man als durchschnittlich (un)trainierter Büromensch nur staunen kann. Wo, bitte sehr, nehmen sie die Energie dafür her?

Kinder vs. Leistungssportler

Diese Frage hat sich jüngst auch Sebastien Ratel gestellt. Der französische Sportwissenschaftler bat zwölf Buben im Alter zwischen acht und zwölf Jahren ins Labor und ließ sie bei einem Ergometertest gegen Erwachsene (Durchschnittsalter 22) antreten. In der Vergleichsgruppe der Erwachsenen befanden sich untrainierte Probanden wie auch Leistungssportler - Läufer, Radfahrer und Triathleten, die an landesweiten Meisterschaften teilgenommen hatten.

Nachdem die Probanden das schweißtreibende Programm am Ergometer absolviert hatten, bestimmte Ratel drei Fitnessparameter, die Herzfrequenz, den Sauerstoffgehalt im Blut sowie den Laktatwert, ein Maß für die Ermüdung der Muskulatur. Resultat: Die Kinder waren den untrainierten Erwachsenen tatsächlich in allen Belangen überlegen. Und sie schnitten, wie die Forscher im Fachblatt „Frontiers in Physiology“ schreiben, in manchen Bereichen sogar besser als die Leistungssportler ab.

Überlegener Muskelstoffwechsel

„Kinder beziehen den Großteil ihrer Energie aus dem aeroben Stoffwechsel und werden daher nicht so rasch müde“, sagt Ratel im Gespräch mit science.ORF.at. „Sie erholen sich auch sehr schnell. Das zeigt sich an der Herzfrequenz und am Laktatwert - in dieser Hinsicht übertreffen sie sogar Ausdauerathleten.“

Dass Kinder angesichts dieser physiologischen Vorteile dennoch keine Weltrekorde abliefern, liegt an der Größe, Kraft und Koordination. Hier seien die Erwachsenen überlegen, sagt Ratel, wenngleich es durchaus Kinder gebe, die selbst im Sprint zu erstaunlichen Leistungen imstande seien. Ein spektakuläres Beispiel ist Brianna Lyston: Die Jamaikanerin lief als 12-Jährige die 200 Meter in 23.72 Sekunden, mit Rückenwind sogar in 23.46.

Ratel schließt aus seinen Befunden, dass die aerobe Fitness - jedenfalls auf muskulärem Niveau - in der Kindheit am höchsten ist und in den darauffolgenden Jahren schrittweise abnimmt. Welche genauen Veränderungen in der Muskulatur dafür verantwortlich sind, können die Forscher noch nicht sagen. Die Antwort wäre durchaus von medizinischem Interesse, könnten doch typische Wohlstandskrankheiten wie Diabetes auch direkt mit dem Muskelstoffwechsel zusammenhängen. Und nicht zuletzt liefere die Studie auch eine Erkenntnis für den Alltag, sagt Ratel: „Unsere Ergebnisse erklären, warum Kinder spielen und spielen und spielen - und dennoch nicht müde werden.“

Robert Czepel, science.ORF.at

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