Elfenbein: Alter schwer zu bestimmen

In Wien wird am Mittwoch der Prozess gegen einen Mann fortgesetzt, der in seiner Wohnung mehr als eine halbe Tonne Elfenbein gehortet hat. Er will es bereits vor dem internationalen Verbot erworben haben. Eine Bestimmung des Alters ist laut Experten aber schwierig.

88 Stoßzähne von Elefanten wurden 2016 in zwei Wiener Wohnungen gefunden, einer der größten Funde dieser Art in der EU. Die Schwarzmarktpreise schwanken, aber mit einem Gewicht von mehr als 560 Kilo wäre der Fund mehrere hunderttausend oder auch mehr als eine Million Euro wert. Der Angeklagte gibt an, das Elfenbein schon seit 1979 zu besitzen – was legal wäre, denn erst mit dem Washingtoner Artenschutzabkommen CITES von 1989 ist der Handel allgemein untersagt.

Artenschutz mit Schlupflöchern

Aber - wie das bei komplexen Gesetzestexten mitunter der Fall ist - das Verbot enthielt von Beginn an auch Ausnahmen und Schlupflöcher: Manche Elefantenpopulationen waren ausgenommen, genauso Antiquitäten und Mammutstoßzähne, und eben Elfenbein, das vor 1989 erbeutet wurde. Heute wie damals steht hinter den weißen Stoßzähnen oder hübsch geschnitzten Elfenbeinfigürchen der Mord an tausenden Elefanten jährlich. Die UNO schätzte 2015, dass täglich 100 Elefanten in Afrika und Asien der Wilderei zum Opfer fallen.

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Der Elfenbeinhandel und der Handel geschützter Wildtier- und Pflanzenarten ist einer der profitabelsten Zweige des organisierten Verbrechens, mit Milliardenumsätzen, die wohl nur von Menschenhandel und Drogenschmuggel übertroffen werden. Insofern dürfe man sich weder den Schmuggel noch die Wilderei einfach wie eine Jagd hie und da vorstellen, meint Frank Zachos, Leiter der Säugetiersammlung im Naturhistorischen Museum in Wien: „Es gab auch zum Beispiel Fälle, da wurden Trinklöcher mit Blausäure versetzt. Die Ranger finden dann irgendwann alles, was dort getrunken hat, vom kleinen Vogel bis zum großen Elefanten, im Umkreis tot herumliegen – und den Elefanten fehlen eben die Stoßzähne.“

Genaue Altersbestimmung schwierig

Im Naturhistorischen Museum landen viele der beschlagnahmten Elfenbeinfunde. Und die Experten dort werden oft um Rat zur Einschätzung von solchen Stücken gebeten. Aber alles lässt sich wissenschaftlich nicht herausfinden, erklärt Frank Zachos: „Altersbestimmung ist schwierig. Bei ganz geschliffenem Material sieht man es wahrscheinlich überhaupt nicht. Am ehesten sieht man, ob es ganz frisch oder doch alt ist. Will man es ganz genau wissen, könnte man die Radiokarbonmethode zur Datierung verwenden - aber auch da lässt sich nicht sagen, ob ein Stück zehn oder dreißig Jahre alt ist. Damit bekommt man eher heraus ob es sich um ein Stück aus dem 16. oder 17. Jahrhundert handelt."

Beschlagnahmtes Elfenbein im NHM

Frank Zachos

Beschlagnahmtes Elfenbein im NHM

Will man altes Elfenbein handeln oder auch nur international transportieren, braucht man meist ein Zertifikat dafür. Dafür müssen sich Betroffene aber meist eher an Kunsthistoriker oder Archive wenden, die eventuell Dokumente über Kauf oder Herstellung haben – ein Problem vor dem zum Beispiel Orchester und Musiker auf Tournee tatsächlich manchmal stehen – denn Elfenbein war, bevor es Kunststoffe gab, z.B. bei Klaviertasten lange gang und gäbe.

DNA zeigt Wilderei-Hotspots

Was die wissenschaftlichen Methoden sehr gut können, ist herauszufinden, woher ein Stoßzahn kommt. Weil der Zahn noch genug Zellmaterial enthält, lässt sich anhand einer DNA-Probe meist die genaue Herkunftsregion feststellen, weil die meisten Elefantenpopulation gut untersucht sind. Das liefert mitunter wichtige Hinweise, wo Wilderer besonders aktiv sind und ob manche Maßnahmen überhaupt greifen.

Denn die meisten der betroffenen Staaten, in denen es Elefanten gibt, versuchen die Wilderei aktiv einzudämmen. In Kenia beispielsweise wurden Großfunde medienwirksam und symbolstark verbrannt, niemand sollte mit den riesigen Scheiterhaufen aus Elfenbein mehr zum Millionär oder Milliardär werden. Viele afrikanische Länder haben Sondereinheiten, in Sambia gibt es auch eigene Spürhunde und Drohnen, die große Savannengebiete von oben überwachen – und das scheint auch etwas gebracht zu haben: „Die großen Mengen an Elfenbein am Anfang des 21. Jahrhunderts kamen bei den großen Savannen-Elefanten hauptsächlich aus zwei Gebieten in Sambia. Und dann hat sich das Ganze verschoben, in den Osten Tansanias und an die Grenze von Mozambique. Also da hat sich schon was getan“, sagt Zoologe Frank Zachos.

Elfenbeinnachfrage in Asien

Für die Elefanten würde es aber weit mehr bedeuten, wenn die Nachfrage sänke. Das könnte durch höhere Strafen für Wildtierverbrechen gelingen, manche Experten schlagen vor, den Schwarzmarkt mit guten Elfenbeinfälschungen zu fluten und ihn damit auszuhebeln.

Realistischer erscheint es im Moment in jenen Kulturen, in denen Elfenbein noch geschätzt wird, über die Hintergründe aufzuklären. Die Nachfrage nach Elfenbein kommt heute hauptsächlich aus asiatischen Ländern. Traditionelle Schnitzkunst und traditionelle Medizin verwenden Elfenbein, aber genauso lockt viele der exklusive Status des „weißen Goldes“. China als einer der größten Absatzmärkte hat heuer einen wichtigen Schritt gesetzt: Seit diesem Jahr ist auch in China der Handel mit Antiquitäten aus Elfenbein verboten – ein gern genutztes Schlupfloch.

Ein anderes Schlupfloch gibt es noch: Das Elfenbein aus Mammutstoßzähnen darf noch gehandelt werden - denn Mammuts sind ja bereits ausgestorben. Jeden Sommer suchen daher findige Händlerinnen und Händler zum Beispiel im getauten Permafrostboden Sibiriens nach den Tieren aus der Urzeit.

Mammut oder Elefant?

Der Unterschied lässt sich relativ leicht feststellen, wenn man ein Stück ansägen kann - denn die innere Maserung unterscheidet sich. Anhand der sogenannten Schreger’schen Linien und dem Winkel, den sie bilden, lassen sich nicht nur Elefant und Mammut unterscheiden, sondern sogar verschiedene Elefantenarten, erklärt Frank Zachos.

Bei Kunstwerken allerdings geht das nicht, denn sonst wären sie schlussendlich zwar vielleicht legal, aber kaputt. Alternativ bleibt noch eine Betrachtung unter dem Mikroskop, die sich auch schwierig gestalten kann, wenn das Material poliert ist.

Aber weil die meisten Mammuts schon lange im Permafrostboden Sibiriens liegen, finden sich in den Zähnen kleine Mineralienablagerungen, erklärt Frank Zachos, an denen man den Unterschied zu Elefantenelfenbein festmachen könnte: „Allerdings ist es wohl auch so , dass das die bösen Jungs mitbekommen, und es wird zum Teil künstlich grünes Granulat oder Ähnliches eingebracht, damit das Material ein bisschen mehr nach Mammut aussieht. Das ist eine Art Wettrüsten.“ Im Kampf um Elefantenleben oder eben Elfenbeinprofit.

Isabella Ferenci, Ö1-Wissenschaft

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