Hohe Qualifikation, wenig Arbeit

Sie sind vor rund vier Jahren nach Österreich gekommen, richtig Fuß gefasst haben sie aber bis heute nicht: Auch wenn Flüchtlinge eine wissenschaftliche Qualifikation mitbringen, bleibt der Alltag oft von Arbeitslosigkeit und Sorge geprägt.

Deutsch lernen und wissenschaftlich arbeiten - das war das Ziel von Hamdi Alsaffouri. 2014 ist der Pflanzengenetiker und Agrarwissenschaftler aus Syrien nach Österreich geflüchtet. Seither hat er ein Forschungspraktikum gemacht, an der Kinderuni unterrichtet. Fixe Arbeit hat er aber noch immer nicht gefunden: „Ich habe viele Bewerbungen geschickt, und ich warte auf eine positive Antwort von einer Firma oder einem Institut. Jetzt besuche ich einen ECDL-Computerkurs.“

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 14.6., 13:55 Uhr.

Beworben hat er sich als Post-Doc für Genetik, und auch als Labortechniker würde der Pflanzenexperte gerne arbeiten - aber bisher hat er nur Absagen bekommen: „Wenn ich mich als Labortechniker bewerbe, heißt es, dass ich eine zu hohe Ausbildung habe - das geht nicht.“ In seiner Freizeit hat er gemeinsam mit anderen Flüchtlingen ein Projekt entwickelt: Seinen Recherchen zufolge gibt es in Österreich zu wenige Imker - er schlägt deshalb vor, Flüchtlinge zu Imkern ausbilden zu lassen, womit nicht nur jenen Menschen geholfen wäre, die derzeit arbeitslos sind, sondern auch den Bienen. Bisher hat der Pflanzengenetiker aber keine Unterstützung bei der Umsetzung dieses Vorhabens gefunden.

Ukraine als „sicheres Herkunftsland“

Ebenfalls aus Syrien stammt Muhammad Yacob, ein Mediziner mit Spezialgebiet Neurologie. Auch er arbeitet nicht mehr in der Forschung, wo er für ein Projekt am Landeskrankenhaus Villach geringfügig beschäftigt war. Aber: Er hat bereits einige Prüfungen zur Anrechnung seiner Ausbildung in Österreich bestanden. Wenn alles gut geht, wird er - nach mehr als drei Jahren - ab Sommer wieder als Arzt arbeiten dürfen. Völlig ungeklärt ist hingegen die Zukunft von Tetiana Goidenko aus der Ukraine: „Offiziell gibt es bei uns keinen Krieg, deswegen kommt keine positive Antwort auf meinen Asylantrag.“ Im Februar 2018 hat Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) eine neue Verordnung zu „sicheren Herkunftsländern“ erlassen - darunter auch die Ukraine.

Ö1 Schwerpunkt „Nord-Süd“

In der Serie „Scientists Welcome?“ hat science.ORF.at vor zwei Jahren hochqualifizierte Menschen vorgestellt, die nach Österreich geflüchtet sind. Anlässlich des Weltflüchtlingstages am 20. Juni und des Ö1 Schwerpunkts „Nord-Süd: Verteilung, Flucht und Migration“ fragen wir nach.

Vor ihrer Flucht nach Österreich Anfang 2015 war Tetiana Goidenko Leiterin der Abteilung für Landschaftsplanung an einer Fachhochschule, einem College, wie es in der Ukraine heißt. Seit dem negativen Asylbescheid versucht sie, nicht zu viel an die Zukunft zu denken. Sie empfindet es als sehr belastend, dass sie noch immer nicht arbeiten darf. An sich wäre ihre Qualifikation als Landschaftsplanerin mit Spezialgebiet Klimawandel am österreichischen Arbeitsmarkt gesucht, das hat Tetiana Goidenko schon mehrfach gehört. Wird ihr Asylansuchen auch in zweiter Instanz abgelehnt, würde sie als Fachkraft in Mangelberufen versuchen, in Österreich Fuß zu fassen: „Ich sehe meine Zukunft hier und möchte in Österreich bleiben.“

„Im Heimatland in Frieden leben“

Hamdi Alsaffouri, der syrische Pflanzengenetiker, hätte das noch vor einem Jahr auch unterschrieben. Nach einem Vorfall in einem Bus in Wien, bei dem seine Kinder und er als „kriminell“ beschimpft und sie zur Heimreise aufgefordert wurden, sagt er zu seinem größten Wunsch für die Zukunft: „Ich möchte in meinem Heimatland in Frieden leben.“

Für sein Leben in Österreich wünscht er sich Arbeit und eine gute Ausbildung für seine Kinder. Österreich gibt ihm und seiner Familie Sicherheit - hier zu arbeiten wäre sein Weg, dem Land, wie er es formuliert, „etwas zurückzugeben“.

Elke Ziegler, Ö1-Wissenschaft

Alle Teile der Serie „Scientists Welcome?“: