Brustkrebs molekular lahm legen

Bis ins letzte Detail ist die Entstehung von Brustkrebs noch immer nicht geklärt. Eine neue Studie zeigt: Könnte man den molekularen Mechanismus der Krankheit blockieren, bliebe vielen Frauen eine schmerzhafte Therapie möglicherweise erspart.

Besonders gefährdet, an Brustkrebs zu erkranken, sind Frauen mit einer speziellen Veränderung im Erbgut. Bei ihnen ist das BRCA1- oder das BRCA2-Gen mutiert, ihr Brustkrebsrisiko liegt zwischen 85 und 87 Prozent. Meist erkranken sie schon jung, häufig mit Mitte 30. Außerdem ist bei diesen Frauen auch das Risiko für Eierstockkrebs deutlich erhöht. Die einzige Möglichkeit, Krebs zu verhindern, ist derzeit nach einem Gentest die operative Abnahme der Brüste und die Entfernung der Eierstöcke - drastische Maßnahmen, zu denen - als ein prominenter Fall - auch die Schauspielerin Angelina Jolie gegriffen hat (siehe auch: Mehr Brust-OPs durch Angelina Jolie-Effekt).

Krankheitsmechanismus unterbrechen

5.500 neue Fälle

Brustkrebs ist in Österreich die häufigste Krebserkrankung bei Frauen, jedes Jahr gibt es rund 5.500 Neudiagnosen. 74.000 Frauen leben derzeit in Österreich mit einer bösartigen Wucherung in ihrer Brust bzw. den Folgeerkrankungen.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 22.6., 13:55 Uhr.

„Derzeit kennen wir keine andere präventive Maßnahme für Frauen mit einem hohen Brustkrebsrisiko“, sagt auch die Hauptautorin der nun im „Journal of Cell Biology“ veröffentlichten Studie, die Krebsspezialistin Rama Khokha. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen von der Universität Toronto hat sie sich deshalb auf die Suche gemacht nach einem Mechanismus der Krankheit, den man eventuell mit Hilfe von Medikamenten unterbrechen könnte. Konkret haben sie das Zusammenspiel zwischen Bruststammzellen und dem weiblichen Geschlechtshormon Progesteron genauer analysiert.

Hormone „sprechen“ mit Zellen

Progesteron, auch Gelbkörperhormon genannt, regt die Brust während der Schwangerschaft und im Lauf des weiblichen Zyklus zur Bildung von neuem Drüsengewebe an. Die Analyse der Forscherinnen zeigte: Bei Frauen mit einem erblich erhöhten Risiko für Brustkrebs funktioniert dieser Mechanismus besonders effizient, bei ihnen bilden sich besonders viele neue Brustgewebezellen, aus denen dann häufig Krebs entsteht. „Obwohl es immer klarer wird, dass Stamm- und andere Vorläuferzellen von Brustdrüsengewebe die Grundlage für Krebs bilden, fehlen uns die Strategien, diese Zellen direkt anzugreifen“, so Khokha.

Brustgewebe, in dem gerade viele neue Zellen gebildet werden (links) bzw. das durch Decitabin nahezu inaktiv ist (rechts).

Casey et al., 2018

Brustgewebe, in dem gerade viele neue Zellen gebildet werden (grüne Punkte links) bzw. das durch Decitabin nahezu inaktiv ist (rechts).

Deshalb wurde als nächster Schritt ein spezieller Wirkstoff getestet, der die Kommunikation zwischen Hormon und Gewebezellen unterbricht. Der Effekt: Brustzellen sowohl von Mäusen als auch von Frauen mit einem erhöhten Krebsrisiko vermehrten sich weniger stark. Verwendet wurde dafür Decitabin, ein Wirkstoff, der auch zur Behandlung spezieller Arten von Leukämie eingesetzt wird. „Chemo-Prävention“ nennt Rama Khokha gegenüber science.ORF.at ihren Ansatz - also Verhinderung von Brustkrebs schon bei der Zellbildung. Und sie fügt hinzu: „Die Medikamente könnten eines Tages eine Alternative zu operativen Eingriffen sein.“

Beim Präparat Decitabin seien die Nebenwirkungen bekannt und gut zu managen - allerdings nur bei seinem Einsatz als Krebsmedikament. Die Folgewirkungen auf das Hormonsystem müssten noch erforscht werden. „Mit unsere Studie haben wir wichtige Schritte gesetzt, um Decitabin für eine mögliche Brustkrebsprävention zu positionieren“, so Khokha. Weitere Studien vor einem klinischen Einsatz seien aber nötig.

Elke Ziegler, Ö1-Wissenschaft

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