Ist digitales Lernen besser?

In manchen österreichischen Schulen arbeiten Schüler im Unterricht mit Tablet und Laptop. Richtig eingesetzt könnte das nicht nur den Umgang mit digitalen Medien verbessern, sondern auch das Lernen, sagt ein Bildungsexperte.

Spricht man von digitalem Lernen, wird alles in einen Topf geworfen, was mit Strom oder Batterien betrieben wird und Lerninhalte vermittelt. Also etwa PowerPoint-Präsentationen, Lehrvideos, Vokabeltrainer oder Programme, die Mathematikaufgaben der Leistung von Schülern anpassen, sagt der Psychologe und Lernforscher Frank Fischer von der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Seit Jahrzehnten untersuchen Forscher, welchen Einfluss diese unterschiedlichen digitalen Informationsvermittler auf das Lernen haben - dem technologischem Fortschritt natürlich jeweils angepasst. „Es gibt seit 70 Jahren viele Studien zu mediengestütztem Lernen und inzwischen auch zahlreiche Metastudien, die immer wieder zum selben Ergebnis kommen: Ob man etwas mit digitalen oder anderen Hilfsmitteln lernt, macht hinsichtlich des Lernerfolgs nur einen geringfügigen Unterschied. Wenngleich Lernen mit digitalen Hilfsmitteln im Schnitt einen geringfügig positiven Einfluss hat“, erklärt Fischer.

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Diesem Thema widmete sich auch ein Beitrag in „Wissen aktuell“ am 27.6. um 13.55 Uhr.

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Größter Effekt bei Gruppenarbeiten

Im Detail betrachtet können manche digitale Hilfsmittel aber doch mehr als nur einen geringen Vorteil gegenüber analogen Lernmethoden haben, so der Forscher - konkret bei interaktiven Gruppenarbeiten. „Grundsätzlich haben interaktiven Gruppenarbeiten und -diskussionen zu anspruchsvollen, offenen Fragestellungen den höchsten Lerneffekt – etwa im Vergleich zu frontalen Lehrervorträgen, dem Ausfüllen von Lückentexen oder auch dem Anschauen von Erklärvideos. Sie finden im Schulalltag allerdings bisher nur selten statt.“ Ein Hauptproblem bei Gruppenarbeiten sei vor allem: Wie bringt man alle dazu mitzumachen? „So banal es klingt, eine dramatisch höhere aktive Beteiligung am Unterricht ist wahrscheinlich der größte Mehrwert von digitalen Medien.“ Das hat Fischer in seiner eigenen Forschung festgestellt.

Konkret untersuchte er, wie sich Suchmaschinen sowie Diskussionsforen und andere E-Learning-Elemente ideal dazu einsetzen lassen, dass Schüler gemeinsam ein bestimmtes Problem lösen. In dem Beispiel sollten die Schüler in Kleingruppen recherchieren, wie Gentechnologie funktioniert und auch Argumente für die gesellschaftlichen Vor- und Nachteile dieser Technologie finden. „Wie man gut recherchiert, das haben wir zuvor mit Journalisten der Süddeutschen Zeitung herausgefunden“, erklärt Fischer. Das Projekt dauerte einen Monat lang, je zwei Stunden pro Woche. Diskutiert wurde am Ende ohne digitale Hilfsmittel. „Wie sich anhand der Beteiligung im Diskussionsforum ablesen ließ, haben sich tatsächlich alle an den Rechercheaufgaben in Kleingruppen beteiligt. Auch später in den Plenumsdiskussionen meldeten sich viele zu Wort, von denen man sonst nicht viel hörte. Das überraschte auch die Lehrer.“

Technologiegespräche Alpbach

Von 23. bis 25. August finden im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach die Technologiegespräche statt, organisiert vom Austrian Institute of Technology (AIT) und der Ö1-Wissenschaftsredaktion. Das Thema heuer lautet „Diversität und Resilienz“. Davor erscheinen in science.ORF.at Interviews mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die bei den Technologiegesprächen vortragen oder moderieren.

Frank Fischer wird am 24. August im Arbeitskreis „Digital literacy for all – Alle sollen digital fit sein“ sprechen.

„Man braucht einen Plan“

Wie mit allen digitalen Medien reicht es aber auch in diesem Zusammenhang nicht, den Schülern einfach Tablets in die Hand zu drücken und zu sagen: „Macht mal“, meint der Psychologe. „Vielmehr bietet es sich an, Programme zu nutzen, um die Gruppenarbeiten gut zu strukturieren. Diese Programme ermöglichen es dem Lehrer auch, später nachzuvollziehen, wie sehr ein einzelner Schüler mitgemacht hat und wo eventuell noch Punkte zu klären sind.“ Nicht zu vernachlässigen sei darüber hinaus auch, dass die Schüler lernen, mit digitalen Medien umzugehen und Informationen zu filtern, betont Fischer.

Allerdings warnt der Bildungsexperte davor, digitale Hilfsmittel zu oft einzusetzen. Wie Studien der letzten Jahre zeigen, gilt in diesem Fall nicht „je mehr, desto besser“. Für den Mathematikunterricht zeigen sich laut bisheriger Forschung die besten Effekte, wenn 30-75 Minuten in der Woche Lösungen digital unterstützt erarbeitet werden. Beim Leseverständnis sind es etwa 75 Minuten pro Woche, die z.B. interaktiven E-Readern gearbeitet werden. „Wie groß der Lernerfolg tatsächlich ist und vor allem wie sehr die Schüler darüber hinaus begreifen, wie diese Medien sinnvoll einzusetzen sind, hängt aber stark davon ab, wie man die Programme und Medien in den Unterricht einflechtet – es geht mehr um die Qualität als um die Quantität. Der wichtigste Mehrwert der digitalen Medien für das Lernen besteht darin, die Schüler aus einer passiven Haltung herauszuholen und zu aktiven, selbstgesteuerten Lernern zu machen.“

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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