Hilfe für Kinder psychisch kranker Eltern

Rund ein Viertel aller Kinder wächst in Familien auf, in denen ein Elternteil psychisch krank ist. Ihr Risiko, später selbst zu erkranken, ist hoch. In Tirol sollen nun in einem neuen Forschungsprojekt die Dorfgemeinschaften genutzt werden, um diesen Kindern zu helfen.

An der Medizinischen Universität Innsbruck wurde zu Jahresbeginn in Zusammenarbeit mit der Ludwig Boltzmann Gesellschaft die internationale Forschungsgruppe „Village“ eingerichtet, die geeignete Maßnahmen entwickeln soll.

Hilfe ohne Stigma

Alleine in Tirol gibt es 3.000 Familien, in denen Kinder oft die Elternrolle übernehmen müssen, weil ein Elternteil psychisch krank ist, an einer Depression leidet, an Angstzuständen oder ähnliches. Die Dunkelziffer ist ungleich höher und die Belastung für die Kinder enorm, schildert Raphaela Kaisler von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft: “Die große Herausforderung ist, dass diese Kinder oft die Verantwortung der Eltern übernehmen – also auch in die Elternrolle schlüpfen. D.h. sie sind oft für die Finanzen verantwortlich, sie müssen den Haushalt schupfen, sie müssen die Miete überweisen, sie müssen schauen, dass Essen vorhanden ist, dass sie sich selber kochen. Aber teilweise müssen sie auch die Betroffenen mitpflegen.“

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichteten auch die Ö1-Journale, 28.6., 12:00 Uhr.

Dieser Druck hat für Kinder oft schwerwiegende Auswirkungen - so gibt es ein hohes Risiko, dass die Kinder später selbst psychisch erkranken. Das Projekt „Village“, das von der australischen Sozialwissenschaftlerin und Expertin für Kinder und Jugendgesundheit Jean Paul geleitet wird, soll Möglichkeiten entwickeln, dem Umfeld der Kinder – von Lehrerinnen, Sporttrainern bis hin zu Nachbarn - Maßnahmen in die Hand zu geben, dem Kind zu helfen, ohne ein zusätzliches Stigma zu schaffen.

Raphaela Kaisler und Jean Paul (rechts)

Wolfgang Böhmer

Raphaela Kaisler und Jean Paul (re.)

Bestehende Angebote besser vernetzen

„Tirol wurde für das Projekt, an dem acht Forscher, die in Innsbruck sitzen, und sechs weitere internationale Experten arbeiten - als Modellregion identifiziert, weil es hier, im Gegensatz zu großen Städten noch diese dörfliche Strukturen gibt, in der die Dorfgemeinschaft helfen kann, aber wir hier auch die Nähe zu den Einrichtungen in Innsbruck haben. In einem ersten Schritt versucht man jetzt, die Personengruppen zu identifizieren, die in den Dörfern gefährdete Kinder erkennen können, um dann zu klären, wie man sie am besten unterstützt und auch mit professionellen Anlaufstellen in Verbindung bringen kann“, erklärt Jean Paul im Ö1-Mittagsjournal.

Ziel ist es, die Kinder zu entlasten, ihnen ein Stück Unbeschwertheit zu schenken und sie davor zu schützen, später selbst – aufgrund der enormen Belastung im Kindesalter – psychisch zu erkranken. „Es geht darum, dass bestehende Angebote besser vernetzt werden, damit Kinder früher erkannt werden, ihnen geholfen wird und sie eine gesunde Entwicklung erhalten“, so Jean Paul. Das Projekt ist auf vier Jahre angelegt.

Wolfgang Böhmer, ORF-Tirol

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