Langes Arbeiten erhöht Diabetesrisiko

Während Österreichs Politiker über eine Ausweitung der zulässigen Wochenarbeitszeit diskutieren, berichten kanadische Forscher nun über mögliche medizinische Folgen so einer Maßnahme: Ab 45 Stunden Arbeit pro Woche steigt bei Frauen das Diabetesrisiko.

Die Zahl der Diabetes-Patienten steigt. Waren 2010 noch rund 285 Millionen Menschen betroffen, sind es aktuell etwa 425 Millionen - Tendenz weiterhin stark steigend. Schätzungen zufolge entstanden dadurch im Jahr 2015 weltweit Gesundheitskosten in Höhe von rund 1.3 Billionen US-Dollar.

Während einige Studien bereits zeigen, dass neben genetischen Voraussetzungen auch Fettleibigkeit, Bewegungsmangel und schlechte Ernährung das Risiko für (Typ-II-)Diabetes erhöhen, ist der Einfluss von sozialen Aspekten wie etwa Arbeitsbedingungen noch kaum untersucht, schreiben die kanadische Soziologin Mahée Gilbert-Ouimet und ihre Kollegen im Fachblatt „BMJ Diabetes Research & Care“.

Um hier einen Einblick in mögliche Zusammenhänge zu gewinnen, haben die Forscher Gesundheitsdaten von mehr als 7.000 kanadischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Alter zwischen 35 und 74 Jahren über einen Zeitraum von 12 Jahren analysiert. „Wir haben gleich viele Frauen wie Männer miteinbezogen und hier ausschließlich jene Personen, die berufstätig sind und mehr als 15 Stunden pro Woche arbeiteten - inklusive Überstunden“, so die Forscher.

Darüber hinaus enthielten die Daten Hinweise über den Familienstand, den Body-Maß-Index, den Lebensstil der Teilnehmer sowie Angaben zur Arbeit. Etwa, zu welcher Tages- und Nachtzeit gearbeitet wird, ob dabei mehr gesessen oder gegangen wird und ob frau bzw. man für die Arbeit eine bestimmte Ausbildung absolvieren musste.

Große Unterschiede zwischen Geschlechtern

Während des gesamten Beobachtungszeitraumes entwickelten zehn Prozent der kanadischen Teilnehmer Diabetes. Wobei Männer (12,2 Prozent) insgesamt stärker betroffen waren als Frauen (7,5 Prozent) und sich - entsprechend den bisherigen Forschungen - eher ältere und fettleibige Teilnehmer unter diesen 10 Prozent befanden.

Hinsichtlich des Faktors „Arbeit“ zeigte die Beobachtungsstudie allerdings, dass dieser Aspekt ausschließlich bei Frauen eine Rolle zu spielen scheint. So sind der Studie nach Frauen, die 45 oder mehr Stunden pro Woche arbeiten, erheblich stärker gefährdet (plus 63 Prozent), an Diabetes zu erkranken als jene Teilnehmerinnen, die zwischen 35 und 40 Stunden pro Woche arbeiten. Bei Männern hingegen schien sogar das Gegenteil der Fall zu sein - laut den Daten sank mit den Arbeitsstunden das Diabetesrisiko, wenngleich nur minimal und statistisch nicht signifikant.

Über die Gründe können die Forscher nur spekulieren. Im Falle des gesteigerten Risikos für Frauen könnte es laut den Soziologen eine Rolle spielen, dass berufstätige Frauen immer noch vermehrt auch zusätzlich Arbeiten im Haushalt übernehmen, vor allem wenn sie Familie und Kinder haben. „Erhebungen zeigen, dass Frauen in industrialisierten Ländern doppelt so viele Stunden in der Woche im Haushalt arbeiten und Familienpflichten übernehmen wie Männer“, so Gilbert-Ouimet. Zudem gehen Männer, die lange arbeiten, eher hochqualifizierten und gut bezahlten Tätigkeiten nach, heißt es in der Studie - auch das könnte den Stresslevel bei Männern senken. Außerdem hatte ein Drittel der lang arbeitenden Männer aktivere Jobs, bei denen sie nicht nur saßen, sondern auch standen und gingen, ergänzt die Soziologin.

Stress erzeugt Insulinresistenz

Dass lange Arbeitszeiten das Diabetesrisiko erhöhen, dürfte abgesehen vom Bewegungsmangel vor allem am dauerhaften Stress liegen. Demnach wird durch chronischen Stress die Aktivität der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse beschleunigt, die sogenannten Stressachse. Das erhöht den Glukokortikoidspiegel und somit den Level des Stresshormons Cortisol. „Dadurch kann es wiederum zu Hormonstörungen, Insulinresistenz, Glukoseintoleranz und Fettleibigkeit kommen“, fassen die Forscher bisherige Forschungen zusammen.

Mahée Gilbert-Ouimet und ihre Kollegin weisen allerdings darauf hin, dass ihre Studie erst einen ersten Hinweis auf mögliche Zusammenhänge zwischen langen Arbeitszeiten und einem erhöhten Diabetesrisiko gebe. Weitere Forschungen seien hier noch dringend notwendig.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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